Zwischen «vernünftigem Trinken» und Null-Toleranz
Exzessives Trinken – bekannt auch als «Komasaufen» – tritt bei Jugendlichen immer häufiger auf. Die Alkoholprävention setzt jetzt auf die Erziehung zum «vernünftigen Trinken».

Der Alkoholkonsum von Jugendlichen geht zwar zurück, dafür wird exzessives Trinken immer häufiger. In der Schweiz sei Alkohol «kein Massenphänomen, das als problematisch zu bewerten wäre», sagte Nicolas Rion, Sprecher der Alkoholverwaltung (EAV), im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA. Demzufolge fusse die Präventionspolitik der EAV nicht auf der «Verteufelung des Produkts», sondern auf einer «Reduktion des problematischen Konsumverhaltens mittels gezielten Massnahmen».
Den Jugendschutz schreibt sich das neue Alkoholgesetz auf die Fahne. Zum Gesetzesentwurf läuft noch bis zum 31. Oktober die Vernehmlassung. Konkret schafft das Gesetz eine Grundlage für Alkohol-Testkäufe durch Jugendliche und verschärft die Regeln für Billigst- sowie Lockangebote.
Umgang lässt sich lernen
Zwar begrüssen Alkoholpräventions-Kreise die Massnahmen, dennoch legen sie den Finger auf einen wunden Punkt: Es sei paradox, wenn die Prävention gestärkt, gleichzeitig aber der Markt liberalisiert werde. Damit sprechen sie etwa die lockeren Bestimmungen an, die für Bier- und Weinwerbung im Gegensatz zu Spirituosen gelten.
Dennoch pocht Jean-Félix Savary von der Westschweizer Studiengruppe für Suchtfragen (GREA) nicht auf eine Null-Toleranz- Politik. Sie könne kontraproduktiv wirken, weil gerade vom Verbotenen ein Reiz ausgehe. Zudem gehöre gerade Alkohol auch zu Jugendritualen.
Vielmehr spricht er sich für eine «ernsthafte» Regulierung aus, die auch eine echte Wirkung auf die Jugend haben soll. «Angezeigt ist eine Erziehung zum 'vernünftigen' Konsum von Alkohol», sagt Savary. Der Umgang mit Alkohol lasse sich «lernen».
Vorbildfunktion der Familie
Für das Erlernen einer «vernünftigen Trinkkultur» könne gerade die Familie eine zentrale Rolle spielen, sagte Corine Kibora von Sucht Info Schweiz. Eine Studie zeigte, dass Eltern häufig den Einfluss der Gleichaltrigen oder der Werbung auf den Alkoholkonsum ihrer Kinder überschätzen. Die Eltern müssen sich ihrer Rolle also bewusst werden.
Verlangt wird aus Kreisen der Alkoholprävention teilweise auch eine Erhöhung der Steuer auf Alkohol. Dieser Forderung liegt die Vermutung zu Grunde, dass der Preis einen grossen Einfluss darauf hat, wie viel Alkohol getrunken wird. Doch dieser Zusammenhang ist umstritten. Er sei nie bewiesen worden, hält Spiritsuisse, die Vereinigung der Schweizer Markenspirituosen, fest.
Der Erziehung zum «vernünftigen» Alkoholkonsum kann aber auch Spiritsuisse Positives abgewinnen. Auf seiner Internetseite schreibt der Verband, «nur ein moderater Konsum alkoholischer Getränke bringt Genuss». Die Verantwortung trügen aber nicht nur die Eltern, sondern auch die Schulen.
Umfassende Programme sind erfolgreich
Aus Sicht von Sucht Info Schweiz muss eine Strategie ebenfalls in der Alkoholprävention an mehreren Orten ansetzen. Im Ausland seien jene Präventionsprogramme die erfolgreichsten, die alle Beteiligten - Jugendliche, Schulen, Eltern, Vereine, Staat - einschlössen, sagte Kibora.
Eine solche Zusammenarbeit gestaltet sich in der föderalistischen Schweiz aber nicht ganz einfach: «Die Kantone sind für Informationskampagnen zur öffentlichen Gesundheit und Prävention verantwortlich», sagte Mona Neidhart, Sprecherin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Immerhin stehe die gemeinsame Plattform «bildung & gesundheit» zur Verfügung.
Schweiz im Mittelfeld
Seit Jahren geht der Alkoholkonsum in der Schweiz zurück; im Jahr 2009 wurden nach Angaben der EAV pro Person 8,6 Liter reiner Alkohol konsumiert. Vor 20 Jahren waren es noch 10,8 Liter. Mit dem heutigen Konsumniveau liegt die Schweiz im europäischen Mittelfeld.
Auch bei den Jugendlichen ging der durchschnittliche Alkoholkonsum in den letzten Jahren zurück. Dagegen kam mit dem «binge drinking» oder «Komasaufen» ein neues Phänomen auf: Laut einer Studie von Sucht Info Schweiz wurden 2006 und 2007 im Schnitt täglich 6 bis 7 Jugendliche wegen Alkoholvergiftung oder - abhängigkeit ins Spital gebracht.
SDA/ske
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