Zwischen Honecker und Kapitän Ahab
FDP-Chef Guido Westerwelle hat in seiner politischen Laufbahn schon häufig Hohn und Spott ertragen müssen. Was ihm jetzt aber entgegenschlägt, dürfte auch für den Aussenminister starker Tobak sein.

Die Zeitung «Welt» titelt immerhin noch: «Westerwelle greift an und lobt seine Arbeit». Aber der Kommentar unter der Zeile «Frohsinn und Krawall» kommt zu dem Schluss, dass die fehlende Selbstkritik des Vizekanzlers «der schon vorhandenen Schwäche» eine neue hinzugefügt habe.
Schärfer gehen andere Medien mit dem Auftritt Westerwelles ins Gericht. Die «Financial Times Deutschland» stellt über das Foto des mit hochgereckten Armen dastehenden Parteichefs die Schlagzeile: «Einmütiger Zuspruch der Delegierten der Freien Demokratischen Partei Deutschlands für den Bundesvorsitzenden Dr. Guido Westerwelle.» – Eine Anlehnung an den DDR-Stil der Darstellung von Parteitagen der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). Die Bildunterschrift lautet: «Realsozialismus in der FDP». Kaum ein Liberaler halte Westerwelle noch für den richtigen Mann an der Spitze, «gejubelt wird trotzdem». Im Leitartikel heisst es schlicht: «Absurder Auftritt».
Den Auftritt Westerwelles haben Blattmacher quer durch die Medienlandschaft mit mehr oder weniger liebevoller Kritik aufs Korn genommen. Die linke «Tageszeitung» setzt in ein grosses Aufmacherfoto mit lilafarbenem Hintergrund die Zeile: «Er zuckt noch.» Wer da nach «Taz»-Meinung noch Reste von politischem Leben zeigt, ist klein unten links im Bild zu sehen: Westerwelle mit vorgestreckten Armen. Angesichts fehlender Ideen und ohne «brauchbaren Nachfolger» hat der Kommentator «fast Mitleid mit der FDP».
«Die viel zu kleine Rede»
Gar nicht weit entfernt davon ist das «Handelsblatt». Auch hier ist der Parteichef nur unten links im Bild zu sehen. Gross dagegen prangt über ihm die Schlagzeile: «Die viel zu kleine Rede». Die Unterzeile ist ein Schlag ins Gesicht: «Allgemeinplätze, Optimismus, Steuersenkung: Bei dem Dreikönigstreffen der FDP versuchte Parteichef Westerwelle einmal mehr, das Publikum von seinem Schmalspur-Liberalismus zu überzeugen.» Die Parteifunktionäre würden ihm aber nur noch aus taktischen Gründen folgen.
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» kommentiert mit Bild und dazugehöriger Unterschrift Zustand und Zukunft der FDP. Im Hintergrund klein der Kopf Westerwelles. Er lächelt. Im Vordergrund in ernsthafter, aber lockerer Pose FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Rhetorisch geschliffen steht darunter: «Guido Westerwelle, Parteivorgesetzter am Donnerstag in Stuttgart, am Pult der parteivorstehende Christian Lindner». Lindner gilt vielen in der FDP als einziger überzeugender Kandidat für die Nachfolge Westerwelles.
«Zeit nach Westerwelle hat begonnen»
«Spiegel-Online» zieht im Kommentar einen Vergleich zu dem einbeinigen Kapitän aus «Moby Dick»: Unter der Zeile «Kapitän Ahab, ahoi!» heisst es, Westerwelle habe mit seiner Rede die Botschaft verbreitet: «Alle sind doof – nur ich nicht.» Dabei stehe Lindner bereits als Nachfolger bereit: Er sei es gewesen, der die inhaltlich geschliffene, analytische Rede gehalten habe, wie sie eigentlich eines Parteivorsitzenden würdig sei. Westerwelle gebe den Kapitän Ahab, der in der Walfängersaga stur das Kommando führen wolle, egal was komme.
Weiter heisst es dazu: «Die Besatzung der ‹Pequod› hat zu lange auf die Meuterei gewartet. Der sture Kapitän Ahab soff ab. Ihm folgte sein Schiff – mit fast der ganzen Besatzung.» Der «Focus» stellte in seiner Online-Ausgabe fest: «Die Zeit nach Westerwelle hat begonnen.»
dapd/bru
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