Islamfeindliche Aktion in ÖsterreichZuerst wurden die Adressen veröffentlicht, dann die Moscheen beschmiert
Ein Forscher erstellte eine Islamlandkarte für Österreich, was nie ein Problem war, bis sie von der ÖVP politisch instrumentalisiert wurde. Zur Freude der Rechtsradikalen.

Wenn Ednan Aslan mit seiner weichen Stimme seine Sicht der Dinge erklärt, dann ist alles zwar nicht ganz einfach, aber ganz klar. Er betreibt seit 2012 ein Projekt an der Universität Wien. Das war jahrelang kein Problem. Seit die «Dokumentationsstelle Politischer Islam» mitmischt, ist es ein Problem, ein Riesenproblem. Aslan sagt, es gehe bei dem Streit nicht um sein Projekt, sondern um den Umgang damit. Und ja, er werde es weiter rechtfertigen. Was andere damit machten, sei «etwas anderes».
Die «anderen» – das war am Anfang vor allem die österreichische Integrationsministerin Susanne Raab und ein Herzensanliegen der ÖVP, eben jener Fonds, der als religiös getarnten, islamistischen Extremismus erforschen soll. Und dann, innerhalb kurzer Zeit, waren «die anderen»: Rechtsradikale, Identitäre. So schnell, wie das Projekt dem Professor für islamische Religionspädagogik entglitten ist, kann man gar nicht gucken.
Es geht um eine Islamlandkarte. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine Website, auf der man Hotels bucht: Grün unterlegt, mit blauen Hütchen drauf, die man anklicken kann, dann erscheinen Zusatzinformationen. Besser gesagt: erschienen. Derzeit ist die Landkarte offline. Auf ihr sind 623 muslimische Einrichtungen eingetragen: Adressen, Personendaten und Informationen über die ideologische Ausrichtung und «gefährliche Tendenzen». Unten drunter die Aufforderung, Auffälliges zu melden. Aber: Mal abgesehen davon, dass nicht alles ganz up to date ist, sah man die Wohnadressen von Muslimen.
Aslan sagt, und er klingt resigniert, dass man diese Adressen schliesslich auch in öffentlichen Registern einsehen könne. Und dass die Islamlandkarte dazu gedacht sei, die Religionsgemeinschaft in ihrer ganzen Breite darzustellen. Damit «die Mehrheitsgesellschaft sieht, wir sind da, wir gehen nicht weg, wir haben hier eine Heimat». Trotzdem distanziert er sich mittlerweile von dem, was gerade passiert.
«Die Politik geht mit meiner Arbeit nicht so um, wie ich es wünsche», sagt er am Telefon. Dabei kennt er das schon. Das Bildungsministerium präsentierte mal eine unfertige Studie von ihm über muslimische Kindergärten, es gab viel Ärger um die politische Auslegung der halbgaren Ergebnisse; seither gilt Aslan in Wissenschaftskreisen zumindest als naiv.
Es gab einen Aufschrei – von muslimischen Organisationen, Kirchen, Datenschützern. Selbst die Grünen, die mit der ÖVP regieren, nennen das Vorgehen «schwer verunglückt».
Derzeit geht die in Wien am häufigsten gestellte Frage aber an die ÖVP und die Dokumentationsstelle Politischer Islam: Naiv – oder böse Absicht? Vor kurzem nämlich präsentierten die Ministerin und die Dokumentationsstelle die Landkarte auf einer Pressekonferenz. Man wolle einen Überblick geben, was es so alles gebe, aber eben auch Extremisten identifizieren, sagte Raab, die von Amts wegen nicht für innere Sicherheit, sondern für ein gedeihliches Zusammenleben der Religionen zuständig ist. Muslime würden schliesslich auch wissen wollen, in welche Moschee sie gingen und welche Ideologie dahinterstehe.

Es gab einen Aufschrei – von muslimischen Organisationen, Kirchen, Datenschützern. Selbst die Grünen, die mit der ÖVP regieren, nennen das Vorgehen «schwer verunglückt». Applaus kam von der eigenen Partei, von der rechtspopulistischen FPÖ und von den üblichen Hassern im Netz. Mit antimuslimischer Propaganda werden schliesslich in Österreich ganze Wahlkämpfe bestritten.
Denn das mit der Heimat, die Muslime in Österreich gefunden hätten, wie Ednan Aslan betont, sehen bekanntlich nicht alle so. In den vergangenen Tagen wurden Moscheen beschmiert, «Warnschilder» tauchten auf: «Achtung, Politischer Islam in deiner Nähe». Die Polizei montiert sie ab, so schnell sie kann, aber sie kommt nicht hinterher. Die rechtsradikale Identitäre Bewegung bekannte sich dazu und forderte auch gleich auf, es ihr nachzumachen.
«Viele Muslime haben Angst»
Die Kleinstpartei «Soziales Österreich der Zukunft» hat Anzeige wegen Verhetzung erstattet; der Verfassungsschutz ermittelt. Auch die «Muslimische Jugend» hat eine Klage angekündigt – allerdings gegen die Islamlandkarte selbst und jene, die damit muslimisches Leben kriminalisierten und Personen- wie Datenschutzrechte verletzten. Pressesprecherin Hager Abouwarda sagt, man bekomme schon die ersten Berichte von muslimischen Einrichtungen, die auf der Karte stünden und «plötzlich unangemeldeten Besuch von Fremden» erhielten. «Bisher ist es nicht zu Zwischenfällen gekommen, aber viele Muslime haben Angst.» Auch Raab und Ednan Aslan stehen unter Polizeischutz. Früher bedrohten ihn regelmässig irgendwelche Rechten. Jetzt hassen ihn Islamisten, und die Rechten feiern ihn.
Es ist also passiert, was wohl absehbar war: Eine Idee, die Experten für wissenschaftlich zumindest fragwürdig halten, die aber, wenn man ihrem Urheber folgen mag, im guten Glauben entstand, Muslime sichtbarer zu machen in einem katholisch geprägten Einwanderungsland, ist politisch instrumentalisiert worden. Von Politikern, die zugleich betonen, man wolle Muslime natürlich nicht unter Generalverdacht stellen. Und von ewigen Hassern, die tun, was sie immer tun: verachten und bedrohen.
Eine Karte jüdischer Einrichtungen – «undenkbar!»
Daniel Höltgen kennt sich mit so was aus. Der Sonderbeauftragte des Europarats für antimuslimische, antisemitische Intoleranz und Hasskriminalität fragt, was man denn erwarte, wenn man eine Landkarte mit muslimischen Ansprechpartnern unter dem Titel «Politischer Islam» ins Netz stelle – und das als Beitrag zur inneren Sicherheit verkaufe. Man stelle sich mal vor, ruft er aus Brüssel ins Telefon, eine Karte jüdischer Einrichtungen würde online gestellt – «undenkbar!» So sei eben das Reiz-Reaktions-Schema: Hass im Netz führe leider nicht selten zu Gewalt im wirklichen Leben. Höltgen sagt, es gebe nur eine Möglichkeit: die Karte zurückzuziehen.
Susanne Raab, die verantwortliche Ministerin, hat mitgeteilt, sie lasse sich nicht beirren. «Es ist manchmal ein harter und steiniger Weg», sagte sie der Zeitung «Heute», «besonders für die beteiligten Wissenschaftler, die von Islamisten massiv bedroht werden. Aber er muss beschritten werden. Wir werden Schluss machen mit dem Zudecken und Verschleiern.» Über bedrohte muslimische Vereine sagte Susanne Raab nichts.
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