Von Simon Graf, Bern
Die anderen Berner Klubs kämpfen ums Überleben. Der SCB will als erstes Team seit den ZSC Lions (2001) den Titel verteidigen. Der grösste Feind kommt von innen.
Grösser könnte der Kontrast kaum sein. Derweil sich der SCB anschickt, die Liga zu beherrschen, kämpfen Biel und die SCL Tigers um ihre Existenz in der Eliteklasse. Beide klammern ihre Hoffnung an ein neues beziehungsweise renoviertes Stadion. In Biel hat sich der Bau einer Duplex-Arena, die ursprünglich 2011 hätte bezugsbereit sein sollen, wegen diverser Versäumnisse verzögert. Sportchef Kevin Schläpfer rechnet nun, dass sie 2013 steht, und betont, ein neues Stadion sei «ein Muss, was die Einnahmequellen sowie die Infrastruktur betrifft, die bei uns keinem NLA-Verein mehr entspricht». So habe der EHC etwa nicht einmal einen Kraftraum im Stadion. Schläpfer ist, nachdem er in den letzten beiden Jahren in der Ligaqualifikation als Nothelfer den NLA-Verbleib geschafft hatte, nun definitiv an die Bande herabgestiegen. Und er formuliert für das Team, das er kaum verstärken konnte, ein bescheidenes Ziel: «Wir müssen uns früher retten. Denn nur so können wir Transfers machen.» Die Bieler machten im vergangenen Winter ein Defizit von einer guten Million Franken, die SCL Tigers werden heute an der Generalversammlung bekanntgeben, wie hoch ihr Verlust ist. «Im Vergleich zu 2009, als wir nicht wussten, ob es weitergeht, war es diesmal ein ruhiger Sommer», sagt indes Geschäftsführer Ruedi Zesiger. Nachdem sich die Vision einer neuen Arena zerschlug, plant man nun die Sanierung der Ilfishalle für 12 bis 15 Millionen Franken. «Wir haben ein strukturelles Defizit, brauchen nebst dem Ticketing und den Sponsoren unbedingt ein drittes Standbein», betont Zesiger. Im Herbst 2012 soll der Umbau abgeschlossen sein – eine sportliche Vorgabe. (sg.) Von Simon Graf, Bern «Die Situation hat sich dramatisch verändert», sagt Larry Huras während der Mittagspause im gut frequentierten Restaurant der PostFinance-Arena und beisst ins nächste Satay-Spiesschen. Es ist Dramatik nach dem Gusto des Kanadiers. «Letzten Sommer schrien die Fans und die Sponsoren auf, die Spieler wurden überall angepöbelt. Und nun, da sie zusammen durchs Feuer gegangen sind, den Test bestanden haben, klopfen ihnen alle auf die Schulter und sagen ihnen, wie grossartig sie sind.» Huras sagt es leicht amüsiert. Ein Playoff-Run hat alles verändert. 2009 war der SCB der Grossklub, der das grandiose Scheitern zu zelebrieren schien, nun fürchtet man ausserhalb der Hauptstadt, dass hier die nächste Dynastie nach dem EHC Kloten (Meister 1993–1996) am Entstehen ist. Dubé und Gardner als Bonus Es muss der Konkurrenz zu denken geben, wenn Nationalstürmer Martin Plüss sagt: «In der Meistersaison hatten wir viele Verletzte. Eigentlich sollten wir diesmal noch besser sein.» Und Huras analysiert: «In der Verteidigung dürften wir mit Kwiatkowski und Krueger noch solider sein, vorne sind Dubé und Gardner ein Bonus.» Der filigrane Center hatte praktisch den ganzen Winter verpasst, der lange Flügel (Huras: «Ich erwarte von ihm 15 bis 20 Tore») ist für gutes Geld vom ZSC gekommen. «Wir haben es in den eigenen Händen», fügt der Trainer an. «Das einzige Team, das mir Angst macht, ist meines.» Mit dem Satz, der selbstbewusst tönt, impliziert Huras: Der grösste Feind kommt von innen. Es ist ein tückischer, weil er sich anschleicht und in vielerlei Gestalten verwandeln kann. Im Fachjargon spricht man vom Meisterblues. Es ist kein Schweizer Phänomen, sondern überall zu beobachten. In der NHL gelang es 1998 den Detroit Red Wings als Letzten, den Titel zu verteidigen. In der NLA waren es die ZSC Lions, die es 2001 letztmals schafften. In den vergangenen vier Saisons gewann nur ein Titelträger eine Playoff-Serie – 2008 der HCD. Huras hat schon einige Meisterteams gecoacht und glaubt, die häufigsten Ursachen für den Meisterblues zu kennen: Zufriedenheit und Egoismus. Schon oft hat er den Satz gehört: «Keine Sorge, Coach, ich werde bereit sein, wenn es zählt.» Und einige Male hat er beobachtet, dass sich Spieler nach dem Triumph fragten: Wie profitiere ich nun persönlich davon? «Letzten Winter hingen wir alle zusammen, wir hatten gemeinsam etwas zu beweisen», blickt er zurück. «Jetzt ist die Gefahr da, dass der Fokus von uns zu ich übergeht.» Er will wachsam sein, die kleinsten Anzeichen ernst nehmen, sich unbeliebt machen, wenn es nötig ist. «Ich erwarte nicht viele Weihnachtskarten von meinen Berner Spielern», merkt er halb im Scherz an. So tobte er etwa nach dem letzten, bedeutungslosen Gruppenspiel der European Trophy, das gegen Salzburg 2:3 verloren ging. «Gewinnen ist mein Kokain» Auf seine Arbeit, da ist Huras überzeugt, hat der Titel keinen Einfluss. Er sagt: «Gewinnen ist mein Kokain. Wenn man es gehabt hat, will man immer mehr davon.» Zudem habe er schon zu viel überlebt, um abzuheben. Die Entlassung als ZSC-Meistertrainer im November 2001 beschäftigt ihn heute noch. «Plavsic, Seger und Streit verpassten damals den Saisonstart», erinnert er sich. «Und als ich Stirnimann zum Verteidiger umfunktionierte, fiel er ebenfalls aus.» Er selbst sei in der öffentlichen Darstellung innert zweier Monate vom Genie zum Dummkopf geworden, und als er bei Lugano anheuerte und 2003 den Titel holte, wieder zum Genie aufgestiegen. «Dabei war ich immer der Gleiche. Nur die Umstände hatten sich verändert.» Spieler verletzen sich, verändern ihre Persönlichkeit, heiraten, trennen sich, werden Vater, zählt Huras auf. «Es gibt viele Faktoren, die ins Endresultat reinspielen.» Derzeit scheinen die Faktoren beim SCB günstig. Das Team ist schnell wieder in Gang gekommen und blieb von Verletzungen weitgehend verschont. An der European Trophy qualifizierte es sich fürs Finalwochenende. Von einem Meisterblues ist noch nichts zu spüren. Doch Huras, der Banjo-Spieler, traut der Idylle nicht recht und sagt: «Die grosse Frage ist: Wie wird der Erfolg das Team verändern?» Im nächsten Sommer hat er die Antwort. Spätestens.
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