«Viel psychologische Arbeit»
Wie Trainer John Fust aus dem Abstiegskandidaten SCL Tigers ein Erfolgsteam machte.
Mit John Fust sprach Kai Müller, Langnau Vor der Saison wurden die SCL Tigers als Playout-Kandidat Nummer 1 gehandelt, nun überraschen sie seit Monaten mit ihren Auftritten und Erfolgen. Trainer John Fust, zuvor beim B-Ligisten Visp, übernahm die Mannschaft im Sommer und schaffte es, den verunsicherten Tigern eine Siegermentalität zu vermitteln. Die Emmentaler haben in dieser Saison alle Teams bis auf den heutigen Gegner Kloten mindestens einmal bezwungen und stehen nach 13-jähriger Wartezeit unmittelbar vor ihrer ersten Playoff-Qualifikation. John Fust, herrscht in Langnau der Ausnahmezustand? Eine gewisse Euphorie ist zu spüren, da wir seit Anfang Saison auf einer Erfolgswelle reiten. Das sind die Leute nicht gewohnt nach all den negativen Schlagzeilen der letzten Jahre. Sie geniessen den Moment. Wie lange müssen sich die Fans noch gedulden? Das ist die grosse Frage der letzten Tage – und eine, die wir nicht gern hören. Wir verschwenden damit nur Energie und machen uns unnötig nervös. Wir haben das jüngste Team der Liga und konnten bisher unbeschwert aufspielen. Nun verspüren wir zum ersten Mal Druck, müssen mit einer neuen Situation zurechtkommen. Wir haben deshalb den Fokus in den letzten drei Spielen verloren. Und nun kommt ausgerechnetLeader Kloten nach Langnau. Nach drei Niederlagen in Folge ist Kloten der ideale Gegner für uns: Wir wissen, dass wir nur mit einer Topleistung bestehen können. Das wird ein Charaktertest für uns. Lernen Sie in dieser Phase Ihre Mannschaft noch besser kennen? Absolut. Ich sehe, wie die Spieler reagieren und mit Druck umgehen. Wir dürfen uns einfach nicht zu viele Gedanken machen. Schliesslich stehen wir so weit oben, weil wir nur auf uns und nicht auf die Tabelle geschaut haben. Jetzt schon über einen möglichen Playoff-Gegner zu diskutieren, wäre arrogant. Eine Viertelfinal-Serie gegen Bern hätte aber ihren Reiz. Für die Region wäre ein Derby super. Aber wir können das nicht kontrollieren. Für die Fans und die Medien ist es jedoch schön, darüber zu spekulieren – lieber Berichte dieser Art als solche über sportliche und finanzielle Probleme (lacht). Vor der Saison genoss Ihr Team wenig Kredit, auch weil die Zuzüge fast nur aus der NLB kamen. Sie sagten damals, die Kritiker würden sich noch wundern. Woher nahmen Sie diese Zuversicht? Ich hatte die Spieler entweder bei Visp unter mir oder kannte sie sonst. Sie haben in ihren Klubs Verantwortung übernommen, verfügen über Playoff-Erfahrung und sind talentiert – sie brauchten nur eine Chance. Ich habe kein Wunder vollbracht, das hat nur mit gutem Scouting zu tun. Sie stellten in Einzelgesprächen fest, dass die Verunsicherung gross und das Selbstvertrauen klein war. Wie haben Sie die Wende vollbracht? Dahinter steckt viel psychologische Arbeit. Die einfachste Lösung sind jedoch Siege. Sie geben Energie und Selbstvertrauen. Wichtig war auch, dass wir nie eine lange Niederlagenserie verarbeiten mussten. Aber was war denn das Rezept? Wir haben komplett neu angefangen. Mit einer neuen Mentalität, einer neuen Kultur. Wir mussten unbedingt mit der Vergangenheit brechen. An sie zu denken, war verboten. Ich habe zum Beispiel die Trainingszeiten und die Farbe der Trainingsleibchen geändert. Wichtig war auch Umgestaltung der Kabine. Sie ist nun viel persönlicher, in den Klubfarben Gelb und Schwarz, überall sind Tiger zu sehen. Die Spieler werden jederzeit daran erinnert, wofür sie kämpfen. Hätten Sie gedacht, dass sich der Erfolg so schnell einstellt? Ich wusste, dass wir besser sein würden als vorher. Die Frage ist jedoch, wie wir Erfolg definieren. Der Verein gab als Ziel den Klassenerhalt aus. Ich kann also sagen, dass die erste Saison auf jeden Fall ein Erfolg sein wird. Ich hoffe aber, dass nicht alles zu schnell gegangen ist und wir nicht den Kopf verlieren. Glauben Sie, dass die Fans einordnen können, was momentan geschieht, ohne dass sie ihre Erwartungen überhöhen? Ich hoffe es. Die Emmentaler sind aber bodenständig genug. Sie werden nicht vergessen, was in den letzten Jahren passiert ist. Als Goalgetter der Aufstiegsmannschaft von 1998 erlangten Sie bereits Heldenstatus in Langnau. Sind Sie sich bewusst, dass Sie daran sind, sich ein Denkmal zu setzen? Schauen wir, wie es Ende Saison aussieht (lacht). Im Sport wird man schnell vom Helden zum Sündenbock. Ich bin momentan einfach froh, dass ich einen guten Job habe und in Langnau etwas bewegen kann. Kommt Ihnen Ihr Werdegang nicht manchmal wie ein Märchen vor? Vielleicht werde ich eines Tages, wenn ich zurückgetreten bin, über gewisse Zufälle staunen oder lachen. Ich wusste aber, dass ich irgendwann wieder ins Emmental kommen werde, denn Langnau hat einen speziellen Platz in meinem Herzen. Ich habe Respekt für die Arbeitsmentalität der Bevölkerung hier. Und die Leute akzeptieren mich. Auch als Mensch. John Fust, der Trainer mit Langnauer Heldenstatus.Foto: Della Valle (Keystone)
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