VERSUNKENE ZUKUNFT
Kurzfilmtage winterthur von Pascal Blum Der Kopf von Karl Marx ist riesig: Sieben Meter hoch und 40 Tonnen schwer. Die Marx-Plastik steht heute in Chemnitz (ehemals Karl-Marx-Stadt) und ist so massiv, dass sie schon bei der Entstehung auseinanderzubrechen drohte. Ein gefundenes Fressen für Deimantas Narkevi?ius, dessen Kurzfilm «The Head» den verantwortlichen Bildhauer dabei zeigt, wie er Marx ein bisschen an der Nase herumdrückt, bis alles sitzt. Auch der 1964 in Litauen geborene Videokünstler Narkevi?ius war früher Bildhauer. In seinen Kurzfilmen untersucht er die Spuren, die der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa hinterlassen hat: Im Film «Once in the XX Century» aufersteht eine abgerissene Lenin-Statue wieder, weil Narkevi?ius die Aufnahmen rückwärts abspult. Das Idol steht wieder an seinem Platz, doch der umgekehrte Denkmalsturz hinterlässt tiefere Risse: Der Filmemacher, der vorgefundenes Archivmaterial neu anordnet, eignet sich jene versunkenen Sehnsüchte wieder an, die von der Ideologie verdeckt waren. Ohne nostalgisch zu werden, schafft es Narkevi?ius mit seinen Kurzfilmen, der Geschichte ihre Möglichkeiten zurückzugeben: Zurück auf Feld eins, hin zu den kollektiven Momenten, als der Horizont noch weit offen war. Für den Kurzfilm «Into the Unknown» etwa, der den DDR-Alltag dokumentiert, wühlte Narkevi?ius im staatlichen Filmarchiv. Das Propagandamaterial aber hat er so zusammengebaut, dass die Werbeträger wieder ein menschliches Gesicht bekommen. Dieses Jahr ehren die Kurzfilmtage Winterthur den vor allem in Kunstgalerien ausstellenden Künstler mit einem herausragenden Spezialprogramm aus zehn Kurzfilmen. Es sind eindrückliche poetische Werke, die zeigen, wie sich ehemals kommunistische Staaten aus Trümmern eine Zukunft basteln, indem sie in der zerbröckelten Vergangenheit nach verborgenen Träumen suchen. Eine solche Hoffnung behandelt Narkevi?ius’ neuester Film «Restricted Sensation», der eine verbotene Liebe zwischen Männern im Litauen der 70er-Jahre erfindet: zu einer Zeit also, als Homosexualität nach sowjetischem Gesetz illegal war. Der monströse Kopf von Karl Marx steht im Zentrum des Kurzfilms «The Head». Sa 16.30 Uhr spricht Deimantas Narkevicius in der Alten Kaserne Winterthur über sein Werk Verlosung Der Züritipp verlost 5 × 2 Multipässe für die Kurzfilmtage Winterthur vom 10.11. bis 13.11. Schicken Sie ein SMS mit dem Kennwort KURZ, Name und Adresse bis Do 10.11., 16 Uhr an die Nummer 4488 (1 Franken pro SMS). Gratis per Mobile: http://wapteilnahme-online.vpch.ch/ZUR72331
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch