Schwarzfahrer in der Opferrolle
Beamtenwillkür habe sein Leben versaut, erklärte gestern vor Bezirksgericht Meilen der Angeklagte, der beim Schwarzfahren erwischt worden war.
Von Peter Meier Meilen – Was tut ein Richter mit einem Angeklagten, der offensichtlich nicht willens – im vorliegenden Fall besser: unfähig – ist, Unrecht einzusehen? Der sich dauernd als Opfer sieht, wo doch alle Beteiligten bestätigen, dass er der Täter war? Der glaubt, in einem diktatorischen Schurkenstaat – gemeint ist Deutschland – zu leben, der die Schuld dafür trägt, dass er nicht mit Frau und Kindern in Frieden unter einem Dach leben darf? Der vom Gedanken besessen ist, sich dauernd gegen Übergriffe von Staatsdienern zur Wehr setzen zu müssen? Und der selber findet, dass er deswegen ein verpfuschtes Leben lebt? Einem solchen Menschen sass gestern Walter Egger gegenüber, und es war offensichtlich, dass sich der Richter am Schluss der Verhandlung selber fragte, wie mit einem solchen Angeklagten am besten zu verfahren sei. Nun, im Rechtsstaat wird nichts anderes übrig bleiben, als den Täter seiner gerechten Strafe zuzuführen. Die Staatsanwaltschaft verlangt eine Bestrafung mit einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu 30 Franken sowie eine Busse von 400 Franken, allenfalls eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen bei «schuldhafter Nichtbezahlung der Busse». Fahrausweis weggenommen Der Angeklagte, ein ursprünglich aus Kosovo stammender deutscher Staatsangehöriger, der ohne Rechtsbeistand erschien, war vor zwei Jahren in der S 7 beim Schwarzfahren erwischt worden. Da er weder ein gültiges Ticket noch einen Personalausweis auf sich trug, komplimentierten ihn die vier Zugbegleiter in Meilen aus dem Zug, um seine Personalien aufzunehmen. Laut Anklageschrift wurde der Mann auf dem Perron immer lauter und schlug schliesslich mit den Fäusten auf den Zugchef ein. «Alles nicht wahr. Ich bin das Opfer von Beamtenwillkür», konterte der sichtlich enervierte 48-jährige Mann auf der Anklagebank. Er behauptete, sehr wohl einen gültigen Fahrausweis vorgezeigt zu haben, den ihm die Kontrolleure aber weggenommen hätten. Weitere Zusammenstösse mit Beamten in Zügen und am Zoll, die aktenkundig sind, bestritt der Mann rundweg, rekapitulierte dafür in endlosen Wortschwällen seine Erfahrungen mit deutschen Beamten. Vollends in Rage brachte den Angeklagten der Hinweis des Richters, dass in Deutschland zwei Verfahren gegen ihn wegen psychisch bedingter Schuldunfähigkeit eingestellt worden seien. «Ich bin kein Psychopath», schrie der Angeklagte in den Saal. Dann liess ihn der Richter laufen. Das Urteil wird dem Angeklagten auf dem Postweg zugestellt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch