Schmückt sich die Stadt mit fremden Federn?
Als Kind reiste Wolfgang Amadeus Mozart samt Familie durch die Schweiz. Dabei kam die Kutsche 1766 auch an Langenthal vorbei. Die Stadt will dem Musikgenie nun ein Denkmal setzen. Zu Unrecht, findet Historiker Max Jufer.
Das Jahr 1766. Am Horizont taucht eine Postkutsche auf. In Bern gestartet, rattert sie durch Herzogenbuchsee und holpert auch durch Bützberg. Im Wagen sitzt die Familie Mozart: der zehnjährige Wolfgang Amadeus, seine ältere Schwester Nannerl und die Eltern. Die knapp vierjährige Reise der Mozarts durch Europa ist historisch verbrieft. Über die Details weiss man hingegen nicht alles: Haben die Mozarts auch Langenthal besucht? Oder ist die Familie, von Bützberg her kommend, an dem damaligen Marktflecken vorbei direkt weiter Richtung Zürich gefahren? Bundesordner und Karten Mit solchen Fragen beschäftigt sich Christiane Kunz. Die Musikerin ist Präsidentin des Vereins Schweizer Mozartweg. In Kleinarbeit hat sie die Route der Mozarts durch die Schweiz rekonstruiert. Im Berner Zentrum für Verkehrsgeschichte quälte sie sich durch 48 Bundesordner, studierte Strassenkarten und verblichene Dokumente. Ihr Antrieb: eine Hommage an einen der «vollkommensten Komponisten» der Welt, wie sie Mozart nennt. Bis im Jahr 2016 soll die ganze Route der Mozarts mit Hinweisschildern gekennzeichnet sein. Heute gibt es in der Schweiz bereits sieben sogenannte Mozart-Stelen. Nun will auch Langenthal dem Musikwunderkind ein Denkmal setzen – beim Stadttheater an der Aarwangenstrasse. Mitte November steigt ein grosses Fest (siehe Kasten). «Mit Pomp und Gloria» Und wenn die Mozarts nun gar nicht in Langenthal gewesen sind? «Diesen Anspruch habe ich nie erhoben», sagt Initiantin Kunz. Es sei ihr bewusst, dass die Mozarts wohl an Langenthal vorbeigefahren seien. Gesichert ist jedoch: Die Mozarts haben auf dem Weg von Bern nach Zürich Langenthaler Territorium überquert. So meint Kunz: «Für mich ist die Stele beim Theater ein kleiner Kompromiss. Das darf man machen.» Und es wäre ja möglich, dass die Mozarts tatsächlich nach Langenthal abgebogen seien. Dem widerspricht allerdings der Langenthaler Historiker Max Jufer. In Quellen aus dieser Zeit sei «weit und breit nie die Rede von Mozart» gewesen, sagt der promovierte Wissenschaftler auf Anfrage. Laut Jufer war Langenthal Mitte des 18.Jahrhunderts kulturell aufgeschlossen mit einer breiten Schicht intelligenter Bürger. Und wäre Mozart, auch als Zehnjähriger schon bekannt, nach Langenthal gekommen, er wäre «mit Pomp und Gloria» empfangen worden, ist Jufer überzeugt. «Falsche Erwartungen» Doch für den Historiker sprechen nicht nur fehlende Belege gegen einen Mozart-Besuch, sondern auch die damalige Situation der Verkehrswege. Im Jahr 1763, drei Jahre vor Mozarts Besuch, ist die neue Aargäu-Strasse fertiggestellt worden – das ist die heutige Strasse von Bern nach Zürich. «Damals war Langenthal vom Verkehr abgeschnitten», sagt Jufer. So habe von der neuen Aargäu-Strasse bloss ein kleiner Weg nach Langenthal geführt – eher ungeeignet für Postkutschen. Er glaube daher nicht, dass die Mozarts noch weitere Strapazen mit einem Abstecher nach Langenthal in Kauf genommen hätten. «Sie sind stracks weiter Richtung Zürich gefahren.» Zumal auch anzunehmen sei, dass sie in Bützberg die Pferde wechselten. Ein neuerlicher Halt in Langenthal scheine daher unwahrscheinlich. Jufer streitet allerdings nicht ab, dass die Mozarts tatsächlich Langenthaler Territorium überquert haben. Das war aber fast zwei Kilometer vom damaligen Flecken Langenthal entfernt, im Gebiet Dreilinden. Und so meint Jufer: «Die Mozart-Stele beim Theater weckt falsche Erwartungen.» Die Stadt schmücke sich mit fremden Federn. Wenn es denn ein Denkmal für Mozart sein müsse, dann würde er es im Quartier Dreilinden aufstellen. Hausers Hochstimmung Etwas erstaunt auf Jufers Erläuterungen reagiert die städtische Kulturbeauftragte Marianne Hauser: Man habe vom Verein Schweizer Mozartweg eine Anfrage für die Stele erhalten. Sie habe bisher angenommen, dass Mozart wirklich den Flecken Langenthal besucht habe. Doch wie die «historische Wahrheit» tatsächlich ausgesehen habe, wisse ja heute niemand mehr. Auch wenn Mozart nur «in der Nähe von Langenthal durchgefahren ist», sei es doch gerechtfertigt, in der Stadt selber an die historische Konzertreise zu erinnern. Hauser will sich die Hochstimmung jedenfalls nicht vermiesen lassen: «Ich freue mich auf die Stele.» Dominik Balmer>
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