Hoffnungsträger Obama erhält Vorschusslorbeeren
Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass US-Präsident Barack Obama mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. Denn neun Monate nach Amtsantritt befindet sich seine Politik der ausgestreckten Hand in Turbulenzen.
Als in Oslo der diesjährige Gewinner des Friedensnobelpreises verkündet wurde, schlief Barack Obama in Washington noch den Schlaf der Gerechten. Kurz vor sechs Uhr Ortszeit weckte sein Sprecher Robert Gibbs den Präsidenten mit jener Nachricht, die auch im Weissen Haus niemand erwartet hatte. Viel mehr als die knappe Erklärung, Obama empfinde Demut angesichts der hohen Ehre, hörte man vom Ausgezeichneten zunächst nicht. Nur Stabschef Rahm Emanuel lies sich sogleich vernehmen: «Oslo schlägt Kopenhagen.» Das war eine Anspielung auf den gescheiterten Versuch des US-Präsidenten nur eine Woche zuvor, das Internationale Olympische Komitee (IOC) in der dänischen Hauptstadt zu überzeugen, die Sommerspiele 2016 an die Obama-Stadt Chicago zu vergeben. Obama war persönlich nach Kopenhagen gereist. Doch Chicago flog im ersten Wahlgang aus dem Rennen. Obama kehrte gedemütigt heim. Zweifel In Washington machen sich Zweifel an Obamas politischer Durchsetzungsfähigkeit breit. «Trotz seiner vielen Worte und Fernsehauftritte bleibt unser eleganter, eloquenter Präsident mehr ein Symbol des Wandels als dessen Gestalter», schreibt das Magazin «Newsweek» ernüchtert: Obama müsse weniger auf Charme, Rhetorik so-wie gute Absichten vertrauen. Er müsse seine politischen Schlachten klüger wählen – und dann auch gewinnen. Befürworter und Gegner, vermerkte die «Washington Post», seien gleichermassen verblüfft, dass der Mann der grossen Worte jetzt im Weissen Haus nicht entschiedener handele. Auch die Begründung des norwegischen Nobelkomitees liest sich eher wie ein Manifest der Hoffnung, ganz so, als wollten die Mitglieder sich der drohenden Entzauberung eines US-Präsidenten entgegen stemmen, der ausnahmsweise mal ihre Weltsicht zu teilen scheint. Ausgezeichnet wurde Barack Obama für seinen «aussergewöhnlichen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Zusammenarbeit zwischen den Völkern», für «seine Vision und seinen Einsatz für eine Welt ohne Atomwaffen», dafür, dass er ein «neues Klima der internationalen Politik» geschaffen habe. Noch keine Erfolge Nach nur neun Monaten im Amt freilich hat Obama noch keinen der schwierigen Konflikte dieser Welt gelöst. Konkrete Ergebnisse gibt es in der knappen Zeit kaum. Ansätze hingegen schon: Vorige Woche haben die USA und der Iran erstmals seit drei Jahrzehnten wieder auf hoher diplomatischer Ebene konferiert. Im Atomstreit mit Teheran deutet sich noch keine Lösung an, womöglich aber ein Abbau der Spannungen. Auch Obamas Vision einer Welt ohne Atomwaffen hat vor allem das langfristige Ziel, die gefährliche Weiterverbreitung und das Entstehen neuer Nuklearmächte zu verhindern. Messen lässt sich der Erfolg erst nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Hohe Erwartungen Früher erweisen dürfte sich, ob Obamas Werben für ein neues Verhältnis des Westens zur muslimischen Welt Früchte trägt. Hier gibt es konkrete Erwartungen – und erste Enttäuschungen: Das amerikanische Zögern, Israel energisch zu einem umfassenden Siedlungsstopp zu drängen, hat in den Augen vieler Palästinenser Obamas Glaubwürdigkeit als Nahost-Vermittler untergraben. Das Hickhack um die neue Afghanistan-Strategie in Washington liess Zweifel wachsen, ob er für den wohl heikelsten internationalen Konflikt seiner Präsidentschaft ein Konzept hat. Beim Thema Guantánamo räumt man im Weissen Haus offen ein, die Widerstände und Probleme unterschätzt zu haben. Auch in der Klimapolitik drohen Sachzwänge den von Obama gewünschten Kurswechsel zu verzögern. Der Friedensnobelpreis 2009 geht an einen Unvollendeten. Die Erwartungen an Barack Obama werden dadurch nicht kleiner. Dietmar Ostermann>
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