«Es muss fast ein guter Jahrgang sein»
Kevin Jud vom NLA-Aufsteiger Stäfa führt die Schweizer U-18 an der EM als Regisseur an. Wie seine Mitspieler betritt er in Montenegro Neuland. Das Ziel ist trotzdem hoch: ein Platz unter den besten acht.
Mit Kevin Jud sprach Kai Müller Kevin Jud, in wenigen Stunden fliegen Sie mit der U-18-Nationalmannschaft nach Montenegro. Welche Gefühle begleiten Sie? Zuversicht und Vorfreude. Ich kann es kaum erwarten, bis die Europameisterschaft endlich losgeht. Sie haben allen Grund zur Zuversicht. Die Vorbereitung verlief vielversprechend. Allerdings. Im ersten Vorbereitungsspiel am Freitag gegen meine NLA-Teamkollegen von den Lakers Stäfa kamen wir jedoch nicht in die Gänge, auch wenn das Resultat mit 23:30 nicht so schlimm aussieht. Beim 31:22 tags darauf gegen den B-Ligisten West HBC haben wir uns schon erheblich gesteigert und entsprechend klar gewonnen. Wir mussten uns nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Nicolas Raemy zuerst wieder finden und schauen, wie wir diesen Verlust kompensieren können. Die Sicherheit ist nun zurück. Raemy schiesst mit Ihnen zusammen am meisten Tore, gehört zu den Schlüsselspielern. Wie hat die Mannschaft auf die Nachricht seines Armbruchs reagiert? Das weiss ich nicht, da ich einen Tag später aus den USA-Ferien zurückkam und erst dann zum Team stiess. Ich habe die Hiobsbotschaft von Raemy selber erhalten und war geschockt. Er ist nicht nur einer der wichtigsten Spieler, sondern auch ein guter Freund und mein Zimmerkollege. Auch ohne Raemy: Welche Rolle kann die Schweiz an der EM spielen? Ich rechne uns durchaus Chancen auf ein gutes Turnier aus. Unser Ziel ist die Zwischenrunde, also ein Platz unter den besten acht Mannschaften. Dazu wäre mindestens ein 2. Platz in der Gruppe D nötig. Wie stufen Sie die Schweizer Vorrundengegner Slowenien, Tschechien und Island ein? Ich halte Slowenien für die stärkste Mannschaft. Wir haben mehrere Male gegen die Slowenen getestet und immer gewonnen. Tschechien haben wir Anfang April auswärts 28:26 besiegt. Island kenne ich überhaupt nicht, wir haben nur Videos gesehen. Isländische Mannschaften sind jedoch traditionell technisch sehr stark, schnell und wendig, dafür haben sie körperliche Defizite. Ideal wäre, die ersten beiden Partien zu gewinnen und zum Abschluss der Vorrunde gegen Slowenien um den Gruppensieg zu spielen. Wer sind Ihre Turnierfavoriten? Spanien und Dänemark. Was erwarten Sie an der EM für ein Niveau? Ich glaube, die besten Mannschaften könnten im NLA-Mittelfeld mithalten. Das Turnier findet in Montenegro statt. Was wissen Sie über das Gastgeberland im Zusammenhang mit Handball? Mein Stäfner Teamkollege Predrag Milicic kennt das Land gut und hat gesagt, Handball geniesse dort einen hohen Stellenwert. Entsprechend schön seien einige Turnhallen mit Kapazitäten von 2000 bis 3000 Plätzen. Sie gelten als bester Spieler Ihres Jahrgangs, sind Spielmacher. Welche Rolle kommt Ihnen an der EM zu? Ich will auf jeden Fall Verantwortung übernehmen und meinen Mitspielern helfen, so gut es geht. Wir waren zwar alle noch nie an einer Europameisterschaft, aber ich denke, dass mir die Erfahrungen aus den Jahren in der NLA und NLB mit Stäfa zugutekommen. Aber wir haben ja noch andere in der Mannschaft, die in der Nationalliga spielen. Ein solches Grossereignis ist dennoch etwas anderes als ein Liga-Spiel. Wie steht es um Ihre Nervosität? Ich werde morgen (heute Donnerstag) vor dem Startspiel gegen Tschechien zwar nervös sein, aber in erster Linie ist es eine Riesenfreude, als Schweizer Handballer an einer Europameisterschaft teilnehmen zu können. Das ist nicht selbstverständlich. Die U-18 hat sich als erste Schweizer Nachwuchs-Auswahl seit sechs Jahren für eine Endrunde qualifiziert. Seit Oktober hat sie in 20 Spielen nur zweimal gegen Deutschland und einmal gegen Russland verloren. Was zeichnet diese Mannschaft aus? Das Kader ist sehr ausgeglichen, wir haben sozusagen alles: gute Goalies und Flügelspieler, einen kräftigen Kreisläufer, grosse, wurfgewaltige Spieler auf den 2er-Positionen und spielstarke Regisseure. Also ein guter Jahrgang, wie es so schön heisst. Es muss fast so sein, ja (lacht). Vielleicht ist die jetzige Mannschaft wirklich talentierter als jene früherer Jahre. Aber das ist schwierig zu vergleichen. Wegen der Europameisterschaft verpassen Sie einen Teil der Saisonvorbereitung mit den Lakers Stäfa. Was müssen Sie nach dem Turnier aufholen? Mir werden die Trainings mit der Mannschaft natürlich fehlen – und der Kraftaufbau. Die Zügel haben Sie in den Ferien aber nicht schleifen lassen? Nein. Ich habe mich schon bewegt – ich hatte meinen Trainer ja dabei (Vater Markus Jud ist Trainer des NLA-Teams Lakers Stäfa). Kevin Jud: «Die Mannschaft ist talentierter als jene früherer Jahre.» Foto: Wagner
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