Ein Wirrwarr von Namen für eine herausragende Idee
Nationale Labels im Bezirk Horgen (3)?Der Naturerlebnispark Wildnispark Zürich, Teil Sihlwald.Von Daniel Fischer Ende gut – und bis auf das komplizierte Namenskonstrukt alles gut. Naturerlebnispark Wildnispark Zürich. Das passt auf keinen Wegweiser, weckt bei Naturfreunden keinerlei Emotionen. Wetten, dass die alten Bezeichnungen für die zwei Wildnisparkteile – Sihlwald und Langenberg – im Volksmund überdauern? Oder sagen Sie «Ich gehe in den Wildnispark», oder fragen Sie «Kommst du in den Naturerlebnispark?». Abgesehen davon, dass das Bundeslabel «Naturerlebnispark» ausschliesslich dem Wildnisparkteil Sihlwald, nicht aber dem Wildnisparkteil Wildpark Langenberg zugesprochen wurde und für den Sihlwald seit einem Vierteljahrhundert wechselnde Begriffe wie «Urwald», «Naturwald», «Naturlandschaft», «Naturpark» und gar «Nationalpark» verwendet oder diskutiert wurden. Alles klar? Die Begriffsverwirrung passt zu dem, was der bisher einzige Schweizer Naturerlebnispark aus politischen Gründen war: eine Zangengeburt. Als Stadtforstmeister Andreas Speich 1985 die Idee präsentierte und rasch umzusetzen begann, war seine Vision der Zeit voraus. Der Sihlwald war ein seit 1314 gehegter und nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend der Erholung dienender Forst. Daher riefen die wohl zu locker in die Debatte geworfenen Stichworte «Urwald», «Betretverbot» und «Bewirtschaftungsverzicht» harsche Reaktionen bei Jägern, Förstern, Wanderern und Lokalpolitikern hervor. Umweltschutz war zudem ein neues, polarisierendes Thema mit nahezu unverrückbarer (Links-rechts-)Front. Speichs grundsätzliche und im Nachhinein als wegweisend geltenden Überlegungen zu Nachhaltigkeit und Naturnähe dienten den Opponenten als Steilpässe. Parallel dazu spiegelte sich die Verhärtung zwischen (linker) Stadt und (rechtem) Land im Konflikt. Die bürgerlichen Gemeinden aus dem Bezirk Horgen erhielten mit dem Sihlwald ein ideales Objekt, um gegen die hoch verschuldete Stadt und den zuständigen EVP-Stadtrat Ruedi Aeschbacher («Schwellen-Ruedi»), Speichs politischen Rückendecker, zu wettern. Angeführt von Horgens von 1986 bis 2010 amtierenden FDP-Gemeindepräsidenten Walter Bosshard, fühlten sie sich dazu legitimiert, denn der Sihlwald, der aus historischen Gründen der Stadt Zürich gehört, liegt auf ihrem Territorium. Der Bund verschlief die Entwicklung im Bereich der Pärke, weil sich der Bundesrat gegen neue national anerkannte Pärke sträubte. Erst Ende 2007 trat ein Gesetz in Kraft, das sie mit der Festlegung von Kategorien und Unterstützungskriterien ermöglichte. Lang anhaltender Druck aus den eidgenössischen Räten führte dazu – nicht zuletzt von Ruedi Aeschbacher, der seit 1999 dem Nationalrat angehört. Trotz dieser Vorgeschichte steht heute ein mit Verträgen und einer Stiftung breit abgestützter Betrieb mit 26 Angestellten und Praktikanten, einem Budget von 5,4 Mio. Franken (2009) und dem Sitz im Haus des ehemaligen Stadtforstamts in Sihlwald. Festgelegt ist etwa ein Holznutzungsverzicht bis 2057. Wandern ist auf allen Wegen erlaubt, Velofahren und Reiten auf extra bezeichneten. Die Aufteilung in eine Kern- und eine Übergangszone gestattet kleine Eingriffe; in Letzterer darf man gar neben den Wegen durch den Wald streifen. Horgens ehemaliger Gemeindepräsident Walter Bosshard, einst erbitterter Kritiker der Parkidee und heute Vizepräsident im Stiftungsrat Wildnispark Zürich, sagt rückblickend versöhnlich: «Man kann immer gescheiter werden.» Gewisse Überlegungen habe er seinerzeit als Provokation empfunden, vielleicht auch wegen der Personen, die sie vertraten. Ähnlich tönt sein damaliger Gegner, Ruedi Aeschbacher: «Heute ginge ich sachter vor, würde mehr den politischen Weg beschreiten und in die Kommunikation investieren.» Er sei, sagt er zu seinem eher stürmischen Vorgehen, vielleicht zehn Jahre zu jung gewesen. In der Sache sei ihm aber klar gewesen, dass dieses Projekt viel Herzblut fordere. «Wie die meisten Kinder, die ich als Stadtrat zur Welt brachte, hatte der Stadtwald eine schwere Geburt.», sagt Aeschbacher – eine Anspielung auf die mittlerweile auch auf dem Land verwirklichten Tempo-30-Zonen. «Der Sihlwald ist dort gelandet, wo er hingehört», findet Aeschbacher. Ihm ist er als Besucher und Präsident der Zürcher Museumsbahn (Schnaaggi-Schaaggi) mit Sitz im Sihlwald treu geblieben. «Mit dem Wildnispark können wir dem Sihlwald eine Zukunft geben, die er als reiner Nutzwald kaum gehabt hätte», sagt auch Bosshard. «Er ist eine Chance für die ganze Region. Ob wir richtig gehandelt haben, weiss man erst ein paar Generationen später.» Sicher richtig sei der partnerschaftliche Umgang, den Stadt und Land nun im Sihlwald miteinander pflegten. «Der Park ist in der Horgner Bevölkerung verankert», weiss Bosshard. Er spricht gar von Stolz. Der ist berechtigt – immerhin ist er einer von nur vier Pärken mit nationalem Label und steht so in einer Reihe mit dem Biosphärenreservat Entlebuch LU, dem Naturpark Thal SO und dem Nationalpark (GR). Steckbrief des Objekts Wildnispark Zürich, seit 2010 Naturerlebnispark mit dem Label «Park von nationaler Bedeutung» (10 Jahre gültig). Bestandteile: Wildpark Langenberg (0,8 km2) und Sihlwald (Kernzone ca. 4 km2, Übergangszone ca. 6 km2). Betroffene Gemeinden: Adliswil, Langnau, Thalwil, Oberrieden, Horgen, Hirzel. Infos: www.wildnispark.ch und www.bafu.ch/paerke/index Bildlegende Text.Foto: Vorname Name, Agentur Naturerlebnis: Der Otter im Gehege des Wildnisparks Zürich.Foto: P. Gutenberg Unter dem Albis breitet sich der Sihlwald aus.Foto: Dominique Meienberg
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch