Der Zirkus um den Zirkus
Frankreichs neuer, harter Umgang mit den Roma trifft eine Pariser Kulturinstitution.
Von Oliver Meiler, Marseille So schnell kanns gehen, und alles ist anders. «Sie wollen uns ins Flugzeug setzen», sagt Alexandre Romanès, «wir sind alle bedroht.» Unter der Zeltkuppel am Boulevard de Reims, im XVII. Arrondissement von Paris, fürchtet man sich vor dem Ende einer langen, stolzen Traditionsgeschichte. Dem Cirque Romanès, Frankreichs einzigem Zigeunerzirkus, droht nach 17 Jahren die Schliessung. Die Inspektoren des Arbeitsamtes haben den rumänischen Musikern des Zirkus, den Geigen- und Akkordeonspielern, die Arbeitsbewilligung wieder entzogen. Und das nur einige Wochen nachdem sie ihnen die Papiere erteilt hatten. «Warum gerade jetzt?» Dazwischen lag Nicolas Sarkozys Rede zum «nationalen Krieg» gegen Delinquente in den Banlieues und Fahrende in den illegalen Lagern. Dazwischen lag auch die erste Welle von Ausschaffungen von Roma nach Rumänien und Bulgarien. Mit Charterflügen. «Warum gerade jetzt?», fragt Alexandre Romanès – der Gründer, Dichter und Kopf des Zirkus, der oft in den Medien auftritt – als «Stimme der Zigeuner». Er ist französischer Staatsbürger. Seine Verwunderung ist verständlich. Erst kürzlich war seine Truppe noch im französischen Pavillon an der Weltausstellung in Shanghai aufgetreten – als offizielle Vertreter Frankreichs. Etabliert. Eric Besson, der Minister für Immigration und nationale Identität, bestreitet, dass der nachträgliche Entzug der Papiere mit der neuen Politik in der Roma-Frage zusammenhänge. Hier werde die Wahrheit manipuliert, die Probleme seien andere. Offenbar stösst sich der Staat auch daran, dass der Zirkus Kinder auftreten lässt. Sie würden wie Sklaven behandelt. Plötzlich alles anders Doch Romanès sagt, das sei alles nicht wahr, der Vorwurf diene nur der allgemeinen Stigmatisierung der Fahrenden: «Der Zirkus ist eine Schule. Die Kunst überträgt sich von den Eltern auf die Kinder – das war immer schon so.» Ob es den Herren Politikern denn lieber wäre, fragt er, wenn die Kinder bettelten. Ausserdem würden die Zirkuskinder von einem Lehrer unterrichtet, der sie auf Tourneen begleite. Auch das sei immer schon so gewesen, ohne dass sich die Obrigkeit je daran gestossen habe. Aber eben: Jetzt ist plötzlich alles anders. Das Zigeunerparadies Die französischen Medien berichten ausführlich über das Schicksal des Cirque Romanès. Es bewegt die Franzosen, weil der Zirkus die einzige bekannte Institution von Roma ist im Land, eine beliebte zudem. Viele seiner Künstler flohen einst vor Nicolae Ceausescu, dem rumänischen Diktator. Viele sind mittlerweile Franzosen. Doch ohne die Musikanten, die jeweils für eine Saison engagiert werden, geht nichts. Nun formieren sich Unterstützungskomitees. Schauspieler und Sänger machen mit, linke und grüne Politiker. Und selbst die Pariser Stadtverwaltung. In wenigen Tagen haben 17 000 Franzosen den Hilferuf von Alexandre Romanès unterschrieben. Auf dass er im November sein Programm zeigen kann. Es heisst: «Paradis tzigane», Zigeunerparadies. Alexandre Romanès, Zirkusgründer, ?direktor und Poet. Foto: AFP
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