Liebe Swisscom, liebe Tele2
ist Künstler unter dem Namen Heinrich Gartentor. Er lebt in Horrenbach.
Nun wohnen wir in den Bergen. In Horrenbach, Gemeinde Horrenbach-Buchen – «hoffentlich nicht Horrorbach», schrieb mir ein guter Freund. Momentan ist es Horrorbach. Wegen euch, liebe Swisscom und liebe Tele2. Ganz allein wegen euch. Die Einkommenskarte der Schweiz sagt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Horrenbach-Buchen pro Jahr rund 9000 Franken ausgeben können. Sie sind neben Epiquerez JU und Eschlikon ZH die Ärmsten der Schweiz. Die Zahlen stammen zwar von 2003, aber viel geändert dürfte sich nichts haben, ausser dass in Horrenbach die Einwohnerzahl nochmals gesunken ist. Aktuell wohnen hier 258 Personen. 2003 sind es noch 278 gewesen. Horrenbach ist ein Ort, in dem man immer wenig Geld hatte. Man sieht es ihm an. Geld, um viel kaputt zu machen, hatte man hier nie, deshalb ist Horrenbach so ursprünglich geblieben. Hier wurde nie ein Dorfladen geschlossen, weil es nie einen gab. Horrenbach findet man im Telefonbuch nicht, es ist aufgeteilt in Eriz und Teuffenthal. Kein Wunder, liebe Tele2 und liebe Swisscom, dass euch Horrenbach nicht interessiert. Forst-Längenbühl zahlt allen Familien 200 Franken, welche dorthin ziehen. Die Gemeinden des linken Zulggebietes, zu denen die Gemeinde Horrenbach-Buchen gehört, bieten wesentlich mehr als 200 Franken. Sie haben nämlich ihr Schulsystem komplett erneuert: Kindergarten und Schule mit Mittagstisch wird standardmässig angeboten, und die für uns relevanten Schulen in Teuffenthal und Homberg gelten in Elternkreisen sowieso seit langem als mitunter beste und innovativste Schulen im Kanton Bern. Das linke Zulggebiet ist ein Landstrich, wo es sich lohnt, unsere beiden Kinder aufwachsen zu lassen. Horrenbach mit seiner Wildheit lohnt sich besonders. Für mich als Künstler und Autor ist es eine inspirierende Gegend, und meine Frau ist ursprünglich diplomierte Landwirtin und fühlt sich bestens ausgehoben. Deshalb sind wir nach Horrenbach gezogen. Und wir wurden nicht enttäuscht – ausser von euch, liebe Swisscom und liebe Tele2. Wir wurden nicht nur enttäuscht, wir wurden richtiggehend im Stich gelassen. Um auf dem Land zu wohnen, reichen gute Schulen und Inspiration nicht. Da muss auch die Anbindung zur Aussenwelt klappen. Für uns heisst das, das Internet muss funktionieren. Für unsere Arbeit ist es existenziell. Ich muss von zu Hause aus arbeiten können. Ich muss recherchieren, ich muss liefern können, ich muss erreichbar sein. Ich bin unter anderem Präsident der Visarte, des Berufsverbandes der Künstlerinnen und Künstler. Dieses verantwortungsvolle Amt kann man nur innehaben, wenn der fast schon tägliche Austausch mit Vorstandsmitgliedern, der Geschäftsstelle und den Partnern der Visarte gewährleistet ist. Das bin ich der Kunst und den 2500 Verbandsmitgliedern beziehungsweise 2500 KMU schuldig. Und meine Frau ist verantwortlich für das Qualitätsmanagement ihres Arbeitgebers. Sie braucht das Internet genauso dringend wie ich. Wir sind nicht aufs Land gezogen, ohne abzuklären, ob an unserem neuen Wohnort das Internet funktionieren wird. Das haben wir bereits im April getan, und im April wurde gesagt, dass es funktionieren werde. Vor unserem Einzug wurde seitens Tele2 – wo wir Kunde sind – nochmals bestätigt: Ihrem Dossier können wir entnehmen, dass der Transfer ihres ADSL bereits in Auftrag gegeben worden ist. Daher rechnen wir nicht mit einer Verzögerung. Für die ADSL-Internet-Leitung ist die Swisscom zuständig, und diese hat es bis heute nicht zu Stande gebracht, den Anschluss aufzuschalten. Internet gehört zur allgemeinen Grundversorgung, und diese Grundversorgung muss die Swisscom sicherstellen. Sie hat dafür eine Konzession erhalten. Die Swisscom beschreibt es im Geschäftsbericht 2008 so: Die Grundversorgung sichert die flächendeckende Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit einem analogen oder digitalen Netzzugang. (...) Die Grundversorgung stellt vor allem sicher, dass die Randregionen der Schweiz bezüglich Telekom-Infrastruktur nicht von den Zentren «abgehängt» werden. Doch die Swisscom hält überhaupt nicht, was sie in ihrem Geschäftsbericht verspricht – zumindest nicht in Horrenbach. Wir sind hier «abgehängt». Liebe Tele2, liebe Swisscom, Stunden habe ich bereits in den Warteschlaufen eurer Hotlines verbracht – in der irrigen Meinung, etwas erreichen zu können (Standardspruch der Swisscom: Man sei dran, Abklärungen zu treffen). Von Internet keine Spur. So habe ich mir das Bergleben nicht vorgestellt. Ich fühle mich als Spielball von euch beiden. Ich muss jetzt endlich endlich arbeiten können. Mir wird es langsam zu mühsam, zweimal pro Woche ins Atelier nach Thun zu fahren, nur um Mails beantworten zu können. Einmal meinte man bei der Swisscom gar, ich dürfe sie nicht mehr anrufen, ich sei Kunde von Tele2, diese müsse die notwendigen Schritte in die Wege leiten. Danach Anruf bei Tele2: Sechseinhalb Minuten Warteschlaufe, nach acht Minuten wurde ich mit der Technik weiterverbunden, nach 12:40 meldet sich die Person wieder: «Es könnte ein wenig länger dauern, können Sie später nochmals anrufen?» – «Nein. Das Gleiche hat man mir schon gestern gesagt, es hat nicht geklappt. Ich brauche jetzt einen Techniker.» Nach 20 Minuten hatte ich einen dran. Nach 35 Minuten war ich einen halben Schritt weiter. Der Vorgesetzte werde mich gleichentags noch anrufen – was er nicht tat. Ähnlich ging es Mal um Mal. Es tut sich nichts. Die Swisscom hat einen Jahresreingewinn von 1,751 Mrd. Franken, bei Tele2 ist er unbekannt. Bei Tele2 wurde ich viermal an eine andere Stelle verwiesen, und diese meinte, das könne man mir nicht einfach so sagen, man werde mich zurückrufen; die Pressestelle rief mich dann zurück und sagte mir, den Jahresgewinn könne man nicht mehr feststellen, weil Tele2 ja nun in Sunrise integriert sei. Swisscom und Tele2, so scheint es, interessieren sich einen Deut fürs Wohlergehen draussen auf dem Lande. Wir sind in Horrenbach Bestandteil einer wirtschaftlich uninteressanten Minderheit geworden, und so werden wir behandelt. Man hat uns «abgehängt». Hier oben kann man noch so gute Arbeit leisten, und ich kann die gute Arbeit noch so rühmen, wenn die Telekommunikation verunmöglicht wird, ist auch beste Arbeit wertlos. 2009@gartentor.ch redaktion-tt@bom.ch >
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