«Ghackets und Hörnli» mit Multitasking
ist Schulinspektor und wohnt in Brienz.
Liebe Leserin, lieber Leser – Sie wissen nicht genau, was Multitasking ist und ob Sie es beherrschen? Um Himmels willen, das darf nicht sein! Wir sind ein Volk von «Multitaskern» – und Sie gehören dazu, auch wenn Sie es bis jetzt nicht gewusst haben. Erklärung nötig? Bitte sehr: «Multitasking bezeichnet die Fähigkeit des parallelen Ausführens verschiedener Aufgaben. Eine Anwendung läuft dabei im Vordergrund, die anderen im Hintergrund. Es entsteht der Eindruck, als ob die Prozesse gleichzeitig ablaufen, jedoch werden sie in sehr kurzen Abständen nacheinander abwechselnd ausgeführt.» So weit die Definition. Wenn Ihnen das zu theoretisch ist, gebe ich dafür gerne ein praktisches Beispiel: Tochter und Schwiegersohn arbeiten, meine Frau ist abwesend. Die drei Grosskinder brauchen Betreuung und ein gutes Nachtessen. Grossätti muss ran! «Es gibt Ghackets und Hörnli mit Broccoli», verkünde ich und ernte grossen Beifall. Die Mädchen (fünf und sechs Jahre alt) dürfen etwas zeichnen, dem einjährigen Kleinen gebe ich den Holzbagger und platziere ihn im Nebenraum. Dann gehts los! Teigwaren ins heisse Wasser, Fleisch in die Bratpfanne, in kurzen Seitensprüngen den Tisch decken und das Telefon läutet. Wer zum Kuckuck – aha, die besorgte Mutter will wohl wissen, ob wir zurechtkommen. Was für eine Frage! Natürlich locker! Es ist abereine Frau dran, die mir die tollen Gewinnchancen der Deutschen Klassenlotterie schmackhaft machen will. Ein unguter Geruch aus der Küche lässt mich das Gespräch unhöflich brüsk abbrechen, denn Angebranntes darf es nicht geben! Ich rette das Fleisch. Die Mädchen wollen für ihre Zeichnungen gelobt sein. Der Kleine ist offenbar schon ganz ausgehungert, denn er ist schon dabei, Erde aus dem Blumentopf in den Mund zu stopfen. Jetzt eilts! Ich packe ihn in den Kinderstuhl und gebe ihm ein paar Hörnli aufs Brett. «Er stinkt», sagt die Zweitjüngste wichtig. Ich wehre ab: «Das kann nicht sein – nicht schon wieder!» (Es kann aber!) Trotzdem, jetzt wird erst gegessen. Der Broccoli, den ich im Kühlschrank vergessen habe, bleibt, wo er ist. Mit kühnem Griff hole ich eine Büchse Apfelmus aus dem Vorratsschrank. Schliesslich gehört das Apfelmus (wenigstens nach Schweizer Militärküchenverständnis) zu diesem Menü. Ich fülle die Teller. Geschafft! «Grossätti, wo ischt ds Gmües?» fragt die Älteste und zeigt damit, dass meine Grosskinder im Regelfall gesund ernährt werden. «Epfelmues ischt o gsund», sage ich, und wir essen mit Genuss. Natürlich lächeln jetzt alle Manager mitleidig über mein bescheidenes Verständnis von Multitasking und die banale Hörnligeschichte. Sie machen Multitasking auf viel höherem Niveau. Und «machen» ist auch falsch, denn sie betreiben das nur im Hirn. Sie hätten sowieso zu wenig Hände, um das alles auch noch zu «machen». Ihr Hirn wird dabei trainiert, wächst und wird immer grösser. Bei den einen drückt es dann die Haarwurzeln aus dem Kopf (gleich Glatze), bei anderen wächst es aus dem Kopf in die Brust hinunter und verdrängt das Herz. Dieses verzieht sich ganz hinten an die Rippen, wo es schüchtern seinem Managerinfarkt entgegenhämmert. Das können sich aber all die vielen «multitaskenden» Mütter im Alltag nicht leisten, denn ihr Herz ist fast das wichtigste Werkzeug im Umgang mit Kindern. «Multitasking kann bei verschiedenen Anforderungen nützlich sein, insbesondere bei der Optimierung der Auslastung und für eine gerechte und prioritäts-basierte Ressourcenverteilung», sagt das Lexikon weiter. Wenn Sie – liebe Leserin, lieber Leser – das also demnächst ausprobieren wollen, wünsche ich Ihnen dabei viel Erfolg und Herz. Und ich gebe Ihnen auch noch einen guten Rat mit: Stellen Sie sicher, dass für eventuelle Krisen eine Büchse süsses Apfelmus (auch im übertragenen Sinne) im Schrank bereitsteht. En Gueta! E-Mail: santschi.peter@bluewin.ch redaktion-bo@bom.ch>
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