Zu elitär: So kommt Kunst nicht zum Fliegen
Setzen die Museen noch genügend auf die regionale Kunstszene? Nach 9 Jahren «Cantonale Berne Jura» beklagen Berner Kunstschaffende das fehlende Sprungbrett. Das zeigt sich beispielhaft in Thun.

«Künstlerinnen und Künstler sind auf eine Plattform in der Nähe ihres Wirkungsortes angewiesen», sagt Hans Jürg Schönthal, Präsident des Fördervereins Kunstmuseum Thun. «Einen solchen Fixpunkt brauchen sie, um ihre Werke zu präsentieren.» Zudem brauche das Publikum einen Ort, um das regionale Kunstschaffen zu verfolgen. Diese Plattform fehle heute. Vor 9 Jahren ersetzte das neue Format «Cantonale Berne Jura» die traditionellen Weihnachtsausstellungen, an denen Künstlerinnen und Künstler aus der Region ihr Schaffen zeigen konnten (siehe Kasten).
«Die Cantonale ist zwar durchaus ein Gewinn für alle», sagt Schönthal, dennoch fehle «ein regelmässiges Panoptikum des regionalen künstlerischen Schaffens». Diese Kritik wird nun in Thun laut, ist aber auch in anderen Teilen des Kantons latent ein Thema.
«Elitärer Interessenkreis»
«Die Cantonale deckt heute mehrheitlich einen elitären Interessenkreis ab und schliesst die regionale Kunst zu stark aus», findet Schönthal. «Damit wie früher eine wirkungsvolle regionale Kunstszene entsteht, die wahrgenommen wird und verankert ist, braucht es wieder einen solchen Begegnungsort.» In Thun könne der neue Offspace-Raum «Satellit» des Kunstvereins Thun am Rex-Kreisel diese Aufgabe keinesfalls alleine übernehmen. Schönthal versteht die Forderung nach einer Plattform als Anregung. «Wir üben keine Kritik an der Arbeit des Kunstmuseum-Teams», betont er, «sondern möchten die Gespräche anregen, damit dem bestehenden Bedürfnis Rechnung getragen wird – in welcher Form auch immer.»
Dominik Stauch, der den «Satellit» initiiert hat und im Vorstand des Kunstvereins ist, teilt Schönthals Meinung. «Das Museum hat den Status eines Treffpunktes für die regionale Kunstszene verloren.» Eine solche Plattform fehle, was die Idee für den Offspace-Raum ausgelöst habe. Schlagworte wie «Networking» und «kulturelle Teilhabe» würden die kulturpolitische Diskussion dominieren. «Der Austausch und die kollektive Auseinandersetzung mit Kultur ist wichtig – auch am Wirkungsort.» Im Museumsprogramm von Thun sehe er leider selten Werke von Kolleginnen und Kollegen. «Dabei könnte das Museum die Cantonale zwischendurch aussetzen und wieder eine althergebrachte regionale Jahresausstellung mit Kunstschaffenden der Region einführen», findet der Künstler. «Denn die Künstlerinnen und Künstler der Region betrachten das Museum als Teil ihres Netzwerkes, was es aber leider nicht mehr ist.»
Für einen Künstlerleist
Auch die Malerin Mirjam Helfenberger kritisiert das Museum, obwohl sie betont, dass sie sich keinesfalls benachteiligt fühlt. «Mein Wunsch wäre trotzdem, dass bei der Cantonale die regionalen Kunstschaffenden zahlreicher berücksichtigt werden, ebenso in den Sammlungsausstellungen.» Zudem regt sie eine objektivere Medaillen- und Geldverteilung an, was mit teilweise neu zusammengesetzten Gremien erreicht würde. Damit wieder eine Thuner Kunstszene entstehen könne, möchte sie «einen Künstlerinnen- und Künstler-Leist gründen – ähnlich einem Quartierleist –, der als objektive Ombudsstelle vermittelt».
Der Steffisburger Künstler Jakob Jenzer findet, dass es Aufgabe eines Museums sei, die örtliche Kunstszene in den Ausstellungen einzubeziehen. Sein Input ist, eine zusätzliche lokale Ausstellung zu schaffen – eventuell sogar in neuen Räumen, die zum Museum gehören. «Die lokale Szene kann sich in der jetzigen Form der Cantonale zu wenig bis nicht präsentieren.»
Nur grosse Namen?
Weitere Künstler wünschen, dass das Kunstmuseum ihre Verantwortung für die lokale Kunst besser wahrnehme. Anna Schmid aus Spiez fühlte sich in Thun gerne willkommener. «Doch ich bin mir gewohnt, mich auf eigene Faust durchzuwursteln.» «Heute», ergänzt der Thuner Stefan Werthmüller, «empfinde ich die Versuche, die lokale Produktion im Museum sichtbar zu machen, als Spaltung der Künstlergemeinschaft.» Das sei der Preis für jurierte Ausstellungen. Pia Schläppi bedauert, dass sich das Museum auf bekannte Namen fokussiert. «Wie wäre es», schlägt sie vor, «wenn das Museum eine Thuner Kunstszene-Gesprächsplattform einführen würde?»
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