Zschäpe will nicht mal ihren Namen sagen
Das Auftreten der Hauptangeklagten im NSU-Prozess in Deutschland lässt die Angehörigen der Opfer langsam verzweifeln. Am zweiten Prozesstag ist die Anklage verlesen worden.
Nach mehrfachen Verzögerungen ist am Dienstag im NSU-Prozess die Anklage gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und die übrigen vier Beschuldigten verlesen worden. Zschäpe habe als Mitglied der rechtsextremistischen Terror-Zelle «nach Aussen den Anschein der Legalität» hergestellt und für einen «sicheren Ausgangspunkt und sicheren Rückzugsraum» gesorgt, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer vor dem Münchner Oberlandesgericht.
Beate Zschäpe trat am zweiten Prozesstag ähnlich wie am ersten auf. Diesmal ist der Hosenanzug etwas heller als beim Prozessauftakt, die vor einer Woche noch offenen langen Haare trägt sie nun als Zopf. Zschäpe lässt sich in ihrer Selbstsicherheit nicht mal von der mit vielen Details über ihre Kompagnons Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gespickten Verlesung der Anklage aus der Ruhe bringen.
Sieben Angehörige im Gerichtssaal
Ihr Auftreten lässt allmählich die Angehörigen der Opfer verzweifeln. Gerade noch sieben Angehörige der Opfer des rechtsextremen NSU zählt der Nebenkläger-Rechtsanwalt Sebastian Scharner im Gericht. Nur sieben von 86 zugelassenen Angehörigen. Manche wollen erst wieder ins Gericht kommen, wenn es um die Morde an ihren Verwandten oder um die ohne Toten gebliebenen zwei Kölner Bombenanschläge des NSU geht.
Auch am Dienstag will das Verfahren über Stunden nicht in die Gänge kommen. Zschäpes Verteidiger beantragen, den Prozess auszusetzen. Es müsse ein neuer, grösserer Saal gesucht werden, sagt Verteidiger Wolfgang Heer. Allen Ernstes schlägt Heer den ehemaligen Bundestag in Bonn als Alternative zum OLG München vor.
Häufige Wortscharmützel
Inzwischen ist das Verhältnis des Verteidigers zu Richter Manfred Götzl zunehmend angespannt. Immer wieder liefern sich die beiden Wortscharmützel. «Die Sitzungsgewalt liegt bei mir», sieht sich Götzl schon früh zu betonen genötigt.
Doch der Richter sitzt am längeren Hebel. Er lässt alle Verteidiger-Anträge zurückweisen. Am späten Dienstagnachmittag kann Bundesanwalt Herbert Diemer mit der Verlesung der Anklageschrift beginnen.
Zehn jeweils als Einzeltat begangene Morde, zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten, 16 Banküberfälle sollen auf das Konto des NSU gehen. Die Schilderung Diemers zeigt noch einmal deutlich, wie brutal die mutmasslichen Haupttäter Böhnhardt und Mundlos vorgingen.
Das zeigte sich schon beim ersten Mord an dem Blumenhändler Enver Simsek. Neun Mal schossen Böhnhardt und Mundlos der Anklage zufolge am hellichten Tag auf ihn, vier Schüsse trafen genau in den Kopf.
Der Kopf war das Hauptziel bei allen zehn Morden. Der arglosen Polizistin Michèle Kiesewetter - das letzte NSU-Opfer - schossen sie von hinten in den Kopf. Bei Kiesewetter soll das Motiv der Hass auf den deutschen Staatsapparat gewesen sein, in allen anderen Fällen Ausländerhass.
Ein Arsenal von zwanzig Schusswaffen soll der NSU am Ende gehabt haben. In ihren Verstecken soll das 1998 untergetauchte Trio eine Sammlung von mehr als 10.000 Namen und Objekten aufgebaut haben - potenzielle Angriffsziele. Bundesanwalt Diemer geht zwar davon aus, dass Zschäpe keinen Mord selbst verübte. Sie soll aber für die Finanzen verantwortlich gewesen sein und den Männern ihren Rückzugsraum gesichert haben.
Zschäpe verfolgt die Anklage regungslos. Auch als es um den Tod ihrer beiden Kompagnons im November 2011 geht, lässt sie sich keine Regung anmerken. Und Zschäpe scheint den Angehörigen nicht mal den Gefallen tun zu wollen, auch nur ein Wort zu sagen. «Meine Mandantin wird keine Angaben zur Person machen», sagt Heer, als der Richter sie nach ihrem Namen fragt.
Zschäpes Verhalten und dazu der mitangeklagte mutmassliche NSU-Helfer André E., der mit seinem Zwillingsbruder auf der Tribüne scherzt, lassen manche Zuschauer verzweifeln. «Ich halte das nicht mehr aus», sagt eine frustrierte türkischstämmige Frau auf der Zuschauertribüne. Sie verlässt den Saal, noch bevor die Anklage verlesen wird.
AFP/mw
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