Zehntausende marschieren in Kiew für Europa
Das hat die Ukraine seit der Orangenen Revolution 2004 nicht mehr gesehen: Rund 50'000 Demonstranten wollten die Abkehr von der EU nicht hinnehmen – die Sicherheitskräfte reagierten mit Härte.
Die Abkehr von Europa hat in der Ukraine Massenproteste ausgelöst. Rund 50'000 Menschen zogen durch Kiew und verlangten, dass Präsident Viktor Janukowitsch doch noch das geplante Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnet. Es war die grösste Demonstration seit der Organgenen Revolution 2004. Wie damals schlug die Opposition im Zentrum der Hauptstadt Zelte auf, um dort über Nacht auszuharren.
Die Regierung hatte am Donnerstag überraschend das lange vorbereitete EU-Assoziierungsabkommen auf Eis gelegt und eine Annäherung an Russland angekündigt. Anführer der Oppositionsparteien riefen die Teilnehmer der Kundgebung auf, die Proteste so lange fortzusetzen, bis Janukowitsch einwillige, das Abkommen zu unterzeichnen.
Nach der Demonstration auf dem Europaplatz kam es zu mehreren Zusammenstössen zwischen kleineren Gruppen von Demonstranten und der Polizei. Die Polizisten setzten Tränengas ein. Tausende andere Demonstranten zogen zum Platz der Unabhängigkeit weiter, während Unterstützer des Präsidenten anderswo in Kiew selbst eine Kundgebung abhielten.
«Lasst nicht zu, dass er uns erniedrigt»
Die ukrainische Regierung hatte ihren Rückzug vom Assoziierungsabkommen damit begründet, man könne es sich nicht leisten, Handelsbeziehungen mit Russland abzubrechen. Die russische Regierung hatte das EU-Abkommen aggressiv behindert und versucht, die Ukraine in die von Moskau dominierte Zollunion zu bekommen.
Die Proteste vom Sonntag wurden als Test für die Stärke der Opposition angesehen. Die Demonstranten trugen riesige ukrainische und EU-Flaggen und riefen «Die Ukraine ist Europa» und sangen die Nationalhymne. «Sollen wir in Richtung Europa oder in Richtung Russland gehen?», fragte Oppositionsführer Arseni Jazenjuk die Menge auf dem Europaplatz. «Es ist eine Wahl zwischen der Vergangenheit und der Zukunft.»
In einem Brief forderte die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko die Ukrainer auf, weiterzudemonstrieren und Janukowitsch zum Umdenken zu bewegen. «Lasst nicht zu, dass er uns alle auf diese Weise erniedrigt», schrieb sie in dem Brief, den ihre Tochter verlas.
Grosse Hoffnung
Der Fall Timoschenko war ein Knackpunkt bei den Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen. Die EU hatte die Ukraine aufgefordert, vor einer Unterzeichnung die inhaftierte frühere Ministerpräsidentin zur Behandlung ihres Rückenleidens ausreisen zu lassen. Die für Timoschenkos Freilassung nötige Gesetzesänderung hatte das Parlament in Kiew aber am Donnerstag abgelehnt. Ursprünglich hätte das Abkommen am kommenden Freitag auf einem EU-Gipfel unterzeichnet werden.
EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle betonte am Sonntag auf Twitter, dass der Weg der Ukraine in Richtung Europa noch nicht versperrt sei. Die Türen stünden offen und das Bekenntnis der EU zur Modernisierung der Ukraine bleibe intakt, schrieb Füle.
Zumindest unter den Demonstranten war die Hoffnung gross, dass ihr Weg sie doch noch in Richtung Brüssel führt. Ein 62-jähriger pensionierter Chemiker sagte mit Tränen in den Augen: «Wir wollen mit Europa zusammen sein. Wir wollen, dass unsere Kinder eine Zukunft haben und nicht von Russland unterdrückt werden.» Der 19-jährige Management-Student Andri Mazeta sagte, die EU bedeute für die Ukraine Entwicklung. Die Zollunion bedeute die Zerstörung des Landes. «Wir müssen Russland so weit wie möglich wegstossen.»
AP/ajk
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