YB: Tore, Turbane, Träume
YB-Aufsteiger Christian Fassnacht brilliert beim 4:0-Sieg der Young Boys in Zürich gegen GC. Auch wegen seiner erfrischenden Art ist er ein Gewinn für YB.
Es gibt Fussballbilder, die sind für die Ewigkeit. Und manchmal schreiben sogar Turbane Fussballgeschichte. Wie 1982, als Bayerns Dieter Hoeness nach einem Zusammenprall stark blutete, dank Verband um den Kopf weiterspielen konnte – und später sogar ein Kopfballtor schoss. Das Satiremagazin «Titanic» schrieb: «Auch Männer haben ihre Tage».
35 Jahre später erlebt Christian Fassnacht am Samstagabend in Zürich gegen GC seinen aufregenden Turbantag. Kurz nach der Pause prallt er heftig mit dem früheren YB-Spieler Milan Vilotic zusammen. Die Wunde oberhalb des linken Auges wird verarztet, Fassnacht erhält einen schicken, passenden gelben Turban, lässt sich nicht beirren und führt die Young Boys zum 4:0-Sieg.
Mit Kopfschmuck leitet der 23-Jährige das 3:0 durch einen herrlichen Pass auf Jean-Pierre Nsamé ein, später trifft er mit elegantem Heber zum 4:0 und zum zweiten Mal in dieser Partie, nachdem er vor der Pause das 1:0 schoss.
Im Ansatz einer wie Frey
Nach der Begegnung ist Christian Fassnacht gefragt in TV-Studios und bei den Journalisten. Der Turban ist rot eingefärbt, eine schmale Blutspur rinnt durchs Gesicht, in dieser Aufmachung könnte man problemlos an jede Fasnachtsveranstaltung gehen. Es ist ein aussergewöhnlicher Abend für Fassnacht, dem die Freude über die gelungene Darbietung anzumerken ist. «Es läuft uns toll», sagt er, «und für mich ist das alles wie ein Traum.»
Es ist angenehm, mit einem medial nicht abgeschliffenen Fussballer wie Fassnacht zu sprechen. Er ist – zumindest im Ansatz – ein würdiger Ersatz des zum FCZ abgewanderten Spontanredners Michael Frey. Einmal sagt er: «Ich habe natürlich Glück, weil Miralem Sulejmani verletzt ist. Sonst hätte ich vielleicht nicht gespielt.» Und später meint der einst bei den U-16-Junioren des FC Zürich aussortierte Offensivspieler: «Das kommt mir alles ein wenig unwirklich vor.»
Bergfahrt vom Etzliberg
Im Rekordtempo hat sich Christian Fassnacht bei YB etabliert: Tor am Mittwoch in Kiew, Galavorstellung am Samstag bei GC. Trainer Adi Hütter lobt den Sommerpausenzugang, beschreibt ihn als «jung, schnell, dynamisch, entwicklungsfähig». Es sind die Schlagworte, die das neue YB auszeichnen sollen. Auch im Letzigrund unterstreicht Fassnacht, warum er das Musterbeispiel der Vereinsphilosophie darstellt. «Er kann für uns in dieser Saison sehr wichtig sein», sagt Hütter.
Aufsteiger der Startwoche ist Fassnacht schon mal. Sein dorniger Weg zu einem nationalen Topklub über Thalwil, Tuggen, Winterthur, Thun ist auch in Zürich ein Thema. «Es ist krass», sagt Fassnacht. «Vor ein paar Jahren spielte ich noch vor 200 Zuschauern auf dem Etzliberg, zuletzt in einem so grossen Stadion in Kiew.» Der Sportplatz Etzliberg, das muss man möglicherweise erklären, liegt in der Gemeinde Thalwil.
«Ich war ein Chancentod»
Christian Fassnacht ist ziemlich weit oben in der Super League angekommen. Und erschrickt ab und zu selber ein bisschen über seine Entwicklung. «Es freut mich, war ich heute so effizient», sagt er am Samstagabend, «beim FC Thun war ich ja ein ziemlicher Chancentod.»
10 Tore gelangen ihm immerhin letzte Saison für die Thuner. Beobachter des Klubs versichern glaubhaft, es hätten bei angemessener Verwertung der Möglichkeiten problemlos auch 20 bis 25 Treffer sein können. Beim zweiten Tor gegen GC war das Selbstvertrauen Fassnachts zu spüren. «Ich freue mich, das nochmals am TV anzuschauen», sagt er schmunzelnd.
Einige Vereine werden sich ärgern, das Potenzial Fassnachts nicht erkannt zu haben. Nicht nur der FCZ, sondern auch Luzern und GC und andere Super-League-Klubs, die den Zürcher für rund eine Viertelmillion Ablösesumme von Winterthur hätten verpflichten können. Sie verzichteten, Thuns Sportchef Andres Gerber schlug zu. Und heute profitieren wieder die Young Boys von den Schnäppchenjägerqualitäten Gerbers. Wie einst bei Renato Steffen. Man darf gespannt sein, wohin die Reise Fassnachts noch führen wird.
Als alles gesagt ist im Letzigrund und die Teamkollegen längst geduscht sind, taucht Sportchef Christoph Spycher auf und ruft Fassnacht zu: «Los, los, die medizinische Abteilung wartet.» Die Wunde an der Stirn muss noch mal gepflegt und genäht werden. YB braucht Christian Fassnacht übermorgen gegen Dynamo Kiew wieder.
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