Kantersieg im SpitzenspielYB im Stile eines Meisters – und mit einem überraschenden Transfer
Nach holprigem Start bezwingen die Berner St. Gallen 5:1. Bereits vor dem Spiel sorgen sie mit der Verpflichtung von U-21-Nationaltorhüter Marvin Keller für Diskussionsstoff.

Fussball kann gemein sein. Und Fussball kann wunderschön sein. Und diese beiden Welten vereinen sich am Sonntagabend im Innern des Wankdorfstadions. Da trotten die St. Galler, Blick und Schultern gesenkt, mit schweren Schritten Richtung Garderobe. Und da hüpfen die Berner lächelnd und erhobenen Hauptes beinahe durch die Gänge.
5:1 haben die Young Boys gewonnen. Es ist zweifellos ein verdienter Sieg, das hält auch der St. Galler Trainer Peter Zeidler fest, konkreter mag er jedoch nicht auf das Geschehen eingehen. Das tut dafür YB-Captain Fabian Lustenberger, er sagt: «Trotz unserer Freude müssen wir demütig bleiben und die Dinge selbstkritisch analysieren.» Und Trainer Raphael Wicky meint, er freue sich sehr über den Sieg und die drei Punkte, «aber das war kein 5:1».
YB-Schwimmfestival vor der Pause …
Dieser Spitzenkampf – trotz 14 Punkten Differenz handelt es sich um das Duell Erster gegen Zweiter – hat zweifellos alles, was sich das Fussballfan-Herz nur wünschen kann: Chancen hüben wie drüben, intensive Zweikämpfe, prächtige Tore. Und es ist der Herausforderer, der dem Spiel zunächst den Stempel aufdrückt. Bereits nach 2 Minuten könnten die Gäste jubeln, doch Anthony Racioppi klärt gegen Jérémy Guillemenot vorzüglich. Nach einem Corner Jordi Quintillas – es sollte nicht der letzte gefährliche in diesem Spiel sein – pariert Racioppi zwar gegen Basil Stillhart, doch den Nachschuss verwandelt Lukas Görtler zur Führung (3.). Diese Szene ist sinnbildlich für den Auftritt der Berner in der ersten Halbzeit, die gegen die bissigen St. Galler Mühe bekunden und bei Standardsituationen regelmässig ins Schwimmen geraten. Die Ostschweizer müssten zur Pause führen, Matej Maglica (7.) und Albert Vallci (42.) etwa köpfen den Ball zweimal an die Latte.
«Wir haben Pässe gespielt, die man nicht spielen sollte. Und bei Ballbesitz sind wir zu offen gestanden, das hat ihnen ebenso in die Karten gespielt», sagt Wicky. Gleichwohl liegt sein Team nach 45 Minuten 2:1 vorn, weil es mit meisterlicher Effizienz glänzt. Für den Ausgleich sorgt Cedric Itten nach toller Vorarbeit Joël Monteiros (12.). Dem 2:1 (17.) geht ein Ballverlust Guillemenots voraus, Christian Fassnacht findet daraufhin den völlig allein stehenden Kastriot Imeri im Strafraum.
… YB-Torfestival nach der Pause
YB korrigiert seine Nachlässigkeiten nach dem Seitenwechsel, und es erhöht den Druck merklich. Nun ist es St. Gallen, das wackelt – und schliesslich fällt. In der 54. Minute trifft Itten vom Elfmeterpunkt aus zum 3:1, der VAR insistierte zuvor nach einem Handspiel Görtlers. Von diesem Moment an spielt fast nur noch YB. Erst ist Fassnacht nach einer Flanke Benitos erfolgreich (62.), dann trifft Fabian Rieder per Penalty genau ins Lattenkreuz – Leonidas Stergiou traf zuvor Imeri im Gesicht. Es sind diese Momente, welche den Grossteil der 27’164 Zuschauerinnen und Zuschauer im gefühlsmässig von Minute zu Minute kälter werdenden Wankdorf erwärmen. «Wir haben ihre Druckphase überstanden, weil wir viele Spieler haben, die schon diverse solche Spiele erlebten und wissen, wie man darauf reagieren muss», sagt Matchwinner Itten, der aus Respekt vor seinem ehemaligen Club auf das Jubeln verzichtet.
Es gab in den letzten Jahren ja viele aufreibende Duelle zwischen St. Gallern und Bernern. Dieses jedoch geht ohne nennenswerte Aufreger über die Bühne, weil das Verdikt letztlich zu klar ist. 16 Punkte Vorsprung haben die Young Boys nun bei einem Spiel mehr auf den neuen, alten ersten Verfolger Servette. Und so dürften sie an sich schon bald das «M-Wort» in den Mund nehmen. Nur halten sie es diesbezüglich wie Zeidler und verzichten auf allzu forsche Äusserungen. «Wir sind auf einem sehr guten Weg, den wollen wir weiterführen, dann können wir uns nur selbst schlagen», sagt Captain Lustenberger.
Spannung in der Torhüter-Frage
Für Aufregung übrigens sorgen die Berner bereits vor dem Spiel. Sofern er die medizinischen Tests von Anfang Woche erfüllt, wird U-21-Nationalgoalie Marvin Keller zu YB stossen. Der 20-Jährige stammt aus der GC-Nachwuchsabteilung, im Sommer 2021 wechselte er zu Wil und etablierte sich beim Challenge-Ligisten sofort als Stammgoalie. Was aufhorchen lässt, ist die Vertragsdauer – Keller hat bei YB bis Sommer 2027 unterschrieben.
Damit sorgen die Berner für Spannung in der Torhüterfrage. Denn David von Ballmoos, die Nummer 1 im YB-Tor, wird noch länger ausfallen. Ob gar eine Operation nötig sein wird, kann erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Der Emmentaler fehlt schon seit Anfang November wegen eines Knochenmarködems im Knie. Und nun bekommt er zu allem Übel auch noch einen ernsthaften Konkurrenten zur Seite gestellt.
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