WM und Olympia bringen Brasilien nicht den Boom zurück Hintergrund
Rio de Janeiro Die fetten Jahre sind vorbei: Brasilien hat nach einem von Chinas Rohstoffhunger ausgelösten Boom mit sinkenden Wachstumsraten zu kämpfen.
Vor der Fussball- Weltmeisterschaft 2014 und den Olympischen Spielen 2016 plant das Land nun milliardenschwere Privatinvestitionen in seine Infrastruktur. Doch Experten bezweifeln, dass das einstige Boomland Südamerikas so bald wieder an alte Erfolge anknüpfen kann. «Die sportlichen Grossereignisse sind mit Sicherheit ein wichtiger Impulsgeber und Stimmungstreiber für die Wirtschaft, aber eine langfristige positive Wirkung dürften sie kaum haben», sagt Ökonom Ulrich Rathfelder von der deutschen Bank Helaba. Auch René Hermann von der Schweizer Ratinggesellschaft Independent Credit View hält die Auswirkungen für überschaubar: Oftmals verpufften die Investitionen, ohne der Gesamtwirtschaft einen messbaren Nutzen gebracht zu haben. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff hat Investitionen von umgerechnet rund 65 Milliarden Fr. angekündigt, um die marode Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Die Regierung will Baulizenzen vergeben und den privaten Geldgebern mit Krediten unter die Arme greifen. Kaum Wachstumsimpulse Ein Wachstum wie 2010 dürfte diese Massnahmen aber kaum hervorrufen. Damals hatte das Bruttoinlandprodukt (BIP), angetrieben durch die hohe Rohstoffnachfrage Chinas, um rekordverdächtige 7,5 Prozent zugelegt. Für dieses Jahr rechnet die Notenbank des Landes nur noch mit einem Plus von 1,8 Prozent. «Die neuen Massnahmen der Regierung für die brasilianische Wirtschaft sollte man nicht überbewerten,» sagt auch Grant Yun Cheng, Portfoliomanager bei Union Investment. Gemessen an der Gesamtleistung der brasilianischen Wirtschaft von 2,5 Billionen Dollar liege der Investmentbedarf für die Sportereignisse bei weniger als 5 Prozent. «Da die Massnahmen sich über mehrere Jahren erstrecken, sind es sogar nur rund 1 Prozent pro Jahr.» Hemmschuh Bürokratie und Steuersystem Dass Brasiliens Wirtschaft nach dem China-Boom immer mehr ins Stocken gerät, führen Experten vor allem auf eine überbordende Bürokratie sowie Hürden im Steuersystem zurück. «Das grosse Problem Brasiliens ist, dass nötige Reformen wie die Liberalisierung der Märkte nicht oder nur zögerlich in Angriff genommen werden», sagt Rathfelder. «Wer in Brasilien investieren will, hat viele bürokratische Hindernisse zu überwinden, um zum Beispiel an Genehmigungen zu kommen.» Dazu komme das sehr komplizierte Steuersystem und die daraus resultierenden hohen Belastungen für Unternehmen. Portfoliomanager Cheng von Union Investment hält auch die hohen Rentenabgaben für problematisch: Gut 13 Prozent des BIP würden für die Alterssicherung verwendet, das sei unter den Staaten mit einer jungen Bevölkerung die höchste Quote. Beschwerliche Transporte Brasiliens Infrastruktur bremst das Land in seiner wirtschaftlichen Entwicklung ebenfalls aus. Gemäss Logistikexperten brauchen Lieferungen in Brasilien über dieselbe Distanz doppelt so viel Zeit wie etwa in China. «Die Investitionen in die Infrastruktur waren immer die Schwachstelle in Brasilien,» sagt Cheng. Trotz aller Probleme sind sich die Experten einig: Ein Krisenland ist die Nummer sechs unter den Volkswirtschaften der Erde deshalb noch lange nicht. Wenn Brasilien vor allem seine Infrastruktur auf Vordermann bringe, stehe dem Land eine verheissungsvolle Zukunft bevor, sagt Nick Price, Manager des Fidelity Emerging Markets Fund.
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