Der Musiktherapeut aus Niederwangen geht seit Jahrzehnten in Pflegeeinrichtungen, um dort mit betagten Menschen zu singen. Als der «Örgelimaa» das erste Lied beginnt, singen einige sofort mit.
Eigene Therapien entwickelt
Otto Spirig wuchs in der Ostschweiz mit vier Geschwistern auf. «Bei uns zu Hause wurde immer viel gesungen», erzählt der 68-jährige Musiktherapeut. «Weil mich stets jede Art von Musik fasziniert hat, wollte ich mehr wissen und auch selber musizieren.» Zuerst lernte er Handorgel spielen, später kamen Klavier, Sitzharfe, Kirchenorgel und Perkussionsinstrumente dazu. Er studierte Musikwissenschaft und deutsche Literatur.
In den therapeutischen Bereich brachte ihn 1975 eine Anfrage, ob er mit behinderten Menschen arbeiten wolle. «Das reizte mich, hier konnte ich Musik als Mittel einsetzen und nicht nur als Ziel.» Eine Musiktherapie-Ausbildung gab es in der Schweiz damals noch nicht. Er beschäftigte sich mit Neurologie und entwickelte nach Weiterbildungen in Deutschland eigene Therapiemethoden. Er spezialisierte sich auf Gedächtnisarbeit mit Demenzerkrankten. Heute gibt es in der Schweiz einen anerkannten Masterstudiengang Klinische Musiktherapie (siehe Kasten).
Ein Schlüssel zu den Wurzeln
Der Musiktherapeut erklärt die Grundlage seiner Arbeit so: «Für mich ist die Herausforderung, herauszufinden, was die Musik anspricht und berührt. Sie ist ein Schlüssel zu den eigenen Wurzeln.» Dabei erfährt er immer wieder, dass Menschen bis zum Tod auf Melodien und Gesang reagieren – selbst dann noch, wenn die Sprach- und Bewegungsfähigkeit nicht mehr da ist. «Diese Wirkung fasziniert mich und fordert mich immer wieder von neuem heraus», berichtet er. Die Grundlage sei ein breites Fachwissen. Doch ansprechen müsse man Emotionen mit dem Ziel, «ein Lied lang bei sich anzukommen». Spirig gab seine Erfahrungen in Lehraufträgen für Musik, Rhythmik und biografische Arbeit weiter, unter anderem auch während 18 Jahren mit einem Lehrauftrag an der Universität Bern.
Seit 2010 ist der fünffache Grossvater «freischaffender Rentner», wie er schmunzelnd bemerkt. Mit der Handorgel in der Hand, im Kopf und in den Fingern ein paar Hundert Lieder, aktiviert er betagte Menschen. Zu seinen Arbeitseinsätzen gehören monatliche Singnachmittage wie im Berner Burgerspittel und in anderen Heimen. In der Sonnweid, einem Heim für Pflege und Betreuung von Demenzerkrankten in Wetzikon ZH, führt er regelmässig musikalische Impulstage durch.