Das Umfragekonsortium aus Bund und Fachhochschulen befragte ausschliesslich Unternehmen, bei denen mobiles Arbeiten überhaupt möglich ist: 230 Firmen aus dem Dienstleistungsbereich sowie 193 Verwaltungen. Hochgerechnet betrifft dies eine Millionen Arbeiter in der Schweiz. Firmen mit vielen ortsgebundenen Tätigkeiten, etwa Baufirmen, wurden nicht berücksichtigt.
Arbeitnehmer wollen, aber können nicht
Was erstaunt, ist nicht unbedingt die hohe Rate der Anwesenheitspflicht. Im europaweiten Ländervergleich schneidet die Schweiz gar überdurchschnittlich gut ab. Auffallend ist jedoch die Divergenz zwischen Anspruch und Realität: 66 Prozent der Arbeitnehmenden wünschen sich ausdrücklich mehr Flexibilität am Arbeitsplatz. Auch die Firmen zeigen sich willig: Nur 10 Prozent geben an, dass Homeoffice für sie kein Thema sei.
Weshalb kann sich das Homeoffice-Modell dennoch nicht durchsetzen? Die Studienleiter nennen unter anderem Führungskräfte, deren antiquiertes Arbeitsethos zunehmend mit dem kulturellen Wandel auf dem Arbeitsmarkt kontrastiert. «Autonomie, Kompetenz und Eingebundenheit sind zentrale Motivatoren geworden», sagt Hartmut Schulze, Arbeitspsychologe an der Hochschule Angewandte Psychologie FHNW. Stattdessen scheinen einige Arbeitgeber noch in Kategorien zu denken, die der industriellen Zeit entstammen, als der Begriff «Faulheit» als Ausdruck für Verweigerung gegenüber den Arbeitspflichten gestanden habe. «Die Führungskräfte mussten Sorge tragen, dass die Beschäftigten pünktlich zur Arbeit antreten, sich genügend anstrengen und möglichst fehlerlos arbeiten», sagt Schulze.
Heute arbeiten jedoch rund 75 Prozent der Schweizer Beschäftigten im tertiären Sektor – schon längst entstand eine Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, die zunehmend komplexer und intellektuell herausfordernder geworden ist. «Anstelle von Kraft und Disziplin sind die Kategorien Leistung und Sinn getreten», sagt Schulze. Dies erfordere jedoch eine Abkehr vom alten «Demand and Control». Schlagworte wie «Zielvereinbarung, Feedback, Kommunikation und Vertrauen» stehen gemäss Schulze im Mittelpunkt eines modernen Arbeitsmodells – auch auf ausdrücklichen Wunsch der Arbeitnehmer: In der aktuellen Homeoffice-Studie wird die Fähigkeit zum Vertrauen als oberste Anforderung an die Chefs genannt.
Homeoffice: «Erst einmal komplizierter»
Jens Meissner hat dennoch Verständnis für den zögerlichen Wandel. Der Professor für Organisation und Innovation an der Fachhochschule stellt rationale Bedenken in den Vordergrund: «Homeoffice macht die Arbeitssituation erst einmal komplizierter.» Mehr Regeln und Koordination – diesen Umstellungsaufwand würden die Arbeitnehmer nur ungern in Kauf nehmen, da heute mehr denn je die Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund stehe. «Dass man mit Homeoffice und räumlich flexiblen Arbeiten mittelfristig erfolgreicher sein kann, erschliesst sich erst auf den zweiten Blick», sagt Meissner.