«Das Strafrecht hat kapituliert»
Nach dem Swissair-Grounding stand die Führungsriege der Airline vor Gericht – und wurde freigesprochen. Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch sagt, was die Schweiz aus dem Prozess lernen kann.
Herr Jositsch, Sie haben den Swissair-Prozess als Beobachter begleitet. Was haben Sie gedacht, als alle 19 Angeklagten freigesprochen wurden? Das Urteil hat aus juristischer Sicht eingeleuchtet. Der Straftatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung bedarf des Vorsatzes – man muss einem Angeklagten beweisen können, dass er einem Unternehmen bewusst schaden wollte. Das kann man den Beteiligten nicht vorwerfen. Keiner wollte die Swissair absichtlich in den Ruin treiben.
Welche? Dass auch Grobfahrlässigkeit unter Umständen bestraft werden kann und nicht nur der Vorsatz. Die Swissair-Spitze hat nicht vorsätzlich gehandelt. Aber sie hat rückwirkend betrachtet Fehler gemacht. Und es wäre eben die Frage, ob diese Fehler grobfahrlässig waren. Ich habe zwei Vorstösse eingereicht, die den Straftatbestand auf Grobfahrlässigkeit ausdehnen wollen – beide wurden im Parlament abgelehnt.