Die EU-Kommission verteilt Noten
Die EU-Kommission hat die wirtschaftliche Situation aller 27 EU-Mitgliedsländer bewertet. Besonders besorgt zeigt sie sich über die Finanzlage Spaniens. Brüssel zeigt sich zudem erstmals offen für direkte Bankenhilfe aus dem Rettungsfonds.

Als Lehre aus der Schuldenkrise müssten nach Ansicht der EU-Kommission nationale Grenzen bei der Bankenaufsicht abgebaut werden. Eine «Bankenunion» mit einer stärker verzahnten Aufsicht und Lastenteilung bei einer Bankenkrise wäre eine wichtige Ergänzung der Währungsunion, schreibt die Behörde in einem Bericht.
Mit der Schuldenkrise zögen sich die Banken stärker auf ihre Heimatmärkte zurück. Dieser Trend muss nach Ansicht der Kommission gestoppt werden. Sie regt in dem Bericht zur Schuldenkrise zugleich an, dem Rettungsfonds ESM die Möglichkeit zu verschaffen, strauchelnde Banken direkt mit frischem Kapital zu versorgen. Bisher ist das im ESM-Vertrag, der schon von einigen Ländern ratifiziert ist, nicht vorgesehen. Mittel zur Bankenrekapitalisierung können demnach nur über ein Hilfsprogramm des betroffenen Staates abgerufen werden. Dieser muss dazu Auflagen zur Sanierung des Bankensektors akzeptieren. Durch die direkte Finanzierung des ESM könne die Verbindung zwischen Banken und Staatsschulden aufgebrochen werden, heisst es in dem Bericht weiter. Näher wird der Vorschlag allerdings nicht ausgeführt.
Deutschland lehnt diesen Schritt bislang vehement ab. Berlin besteht darauf, dass Finanzhilfe nur im Gegenzug für strikte Spar- und Reformauflagen an Regierungen gegeben werden kann, die das Geld dann an ihre Banken weiterreichen könnten. Vor allem Spanien will jedoch Hilfe der Europartner für seine Geldhäuser, ohne sich zu harten Auflagen verpflichten zu müssen. Für die Rettung seiner Institute hat Madrid bereits Milliardensummen ausgegeben, was die öffentliche Verschuldung weiter in die Höhe treibt und damit die Refinanzierungskosten an den Märkten.
Noten für 27 EU-Länder
Die EU-Kommission hat heute die 27 EU-Länder zu grösseren Anstrengungen im Kampf gegen Schuldenberge und Wirtschaftskrise aufgefordert. «Wir müssen unsere Bemühungen verdoppeln, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene», erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel. Während Deutschland von der Liste der Haushaltssünder gestrichen werden soll, richten sich besorgte Blicke auf Spanien.
Die EU-Kommission bewertete die wirtschaftspolitische Situation aller 27 EU-Mitgliedsländer und gab den nationalen Regierungen auf ihre Länder zugeschnittene Hausaufgaben auf, um finanzielle und wirtschaftliche Missstände in den Griff zu bekommen. Die Beurteilung der EU-Länder durch die EU-Kommission ist ein Teil der Massnahmen, die sich die Europäische Union als Lehre aus der aktuellen Schulden- und Wirtschaftskrise auferlegt hat.
Starke Konjunktur in Deutschland
Gute Nachrichten gab es für die deutsche Bundesregierung: Die Kommission schlägt den EU-Ländern vor, Deutschland von der Liste der Haushaltssünder zu streichen und das seit 2009 laufende Defizitverfahren einzustellen. Deutschland halte die EU-Höchstmarke für das Defizit von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) seit dem Jahr 2011 – und somit zwei Jahre früher als vorgegeben - wieder ein. Grund dafür ist die vergleichweise starke Konjunktur in Deutschland, die hohe Steuereinnahmen in die Staatskassen spült.
Doch die Bundesregierung bekommt auch Ermahnungen aus Brüssel. Die Einführung der Schuldenbremse auf Länderebene bleibe «unvollkommen und uneinheitlich». Zudem fehle für die Landesbanken eine «umfassende und langfristige Version» sowie ein «lebensfähiges Geschäftsmodell». Die EU-Länder müssen die Vorschläge der Kommission bestätigen, sie dann aber nicht zwingend befolgen.
Wachstum und Jobs
Die EU-Kommission stellt insgesamt Fortschritte im Kampf gegen die Schulden- und Wirtschaftskrise fest, fordert aber weitere Anstregungen, um Wachstum, Jobs, Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und arbeitsmarktorientierte Ausbildung zu verbessern. Um eine Ausweitung der Staatsschuldenkrise auf den Bankensektor zu verhindern, schlägt die EU-Kommission vor, die direkte Rekapitalisierung von Banken durch den Euro-Rettungsfonds ESM zu prüfen.
Ein Dutzend Länder – darunter die grossen Volkswirtschaften Grossbritannien, Frankreich, Italien und Spanien – werden aufgrund von wirtschaftlichen Ungleichgewichten zum Handeln aufgefordert. Besonders im Fokus steht Spanien.
EU-Kommission besorgt über Spanien
«Spanien steht weiterhin vor bedeutenden politischen Herausforderungen infolge des Platzens der Immobilien- und Kreditblase», warnte die EU-Kommission. Damit «das schnelle Ansteigen der Staatsschulden» gestoppt und das Vertrauen der Finanzmärkte wieder hergestellt werden könne, seien eine weitere Konsolidierung des Haushalts und «finanzielle Disziplin» auf regionaler Ebene nötig.
Spanien gilt aufgrund seiner Schulden, des angeschlagenen Bankensektors, der hoch verschuldeten Regionen und seiner hohen Arbeitslosigkeit als Sorgenkind der Euro-Zone und möglicher Kandidat für Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm. Die Regierung in Madrid bekräftigte bislang jedoch, die Probleme des Landes ohne europäische Hilfe lösen zu wollen. In den vergangenen Tagen musste Spanien, das seine Banken mit Milliardenbeträgen stützt, an den Finanzmärkten jedoch Rekordzinsen zahlen, um sich Geld zu leihen.
Steuersystem umgestalten
Die EU-Kommission empfiehlt der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy, das Steuersystem wachstumsfreundlicher zu gestalten. Manche Wirtschaftszweige zeigten nur eine geringe Wettbewerbsfähigkeit, geringe Produktivität behindere das Wirtschaftswachstum und die Neuaufstellung der spanischen Volkswirtschaft. Grosser Grund zur Sorge bleibt nach der Analyse der EU-Kommission die spanische Finanzbranche: «Der Bankensektor bleibt fragil aufgrund zu hoher Schulden von Privaten und Unternehmen.»
Nach einem Staatsdefizit von 8,9 Prozent der Wirtschaftskraft im vergangenen Jahr - anstatt der angepeilten 6,0 Prozent - räumten die anderen Länder Spanien für dieses Jahr bereits mehr Spielraum ein: Anstatt auf 4,4 Prozent der Wirtschaftskraft muss die Regierung in Madrid das Haushaltsdefizit nach bisherigen Vereinbarungen auf 5,3 Prozent drücken, bevor im kommenden Jahr wieder die EU-Obergrenze von 3,0 Prozent erreicht werden soll. Aufgrund der schwierigen Lage des Landes gab es zuletzt Spekulationen, dass dem Land dafür mehr Zeit gegeben werden könnte.
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