«Ich musste 10 Tonnen Zucchetti wegwerfen»
Für Gemüseproduzenten herrscht perfektes Wetter. Doch durch Überschüsse geraten die Preise unter Druck: Für einige Bauern lohnt sich die Ernte nicht mehr.

Die optimalen Wetterbedingungen sorgen dafür, dass Schweizer Gemüse derzeit im Überfluss wächst. Besonders bei Rüebli, Sellerie oder Kabis, von denen noch grosse Lagerbestände aus dem Vorjahr bestehen, steigt der Druck auf die Preise: Laut dem Marktbericht des Bundesamts für Landwirtschaft ist beispielsweise der Preis für das Kilo Sellerie um einen Viertel tiefer als im 4-Jahres-Durchschnitt.
Das Überangebot bringt die Bauern in Bedrängnis: Laut der Zeitung «Schweizer Bauer» lohnt es sich für einige nicht mehr, zu diesen tiefen Preisen ihre Ware zu verkaufen, worauf das Gemüse in der Biogasanlage landet oder weggeworfen wird. «Wir haben deshalb auch Waren entsorgt», sagt ein Ostschweizer Produzent. Gemüsegärtner Hans Blaser aus Ruswil LU sagt zu 20 Minuten, dass er kürzlich zehn Tonnen Zucchetti unterpflügen musste: «Die Erntemengen waren deutlich grösser als die möglichen Verkäufe.» Das schmerze ihn schon, aber als Betriebsleiter müsse er das aushalten.
1,6 Tonnen Wirz geschreddert
Auch Andreas Eschbach, Gemüseproduzent in Füllinsdorf BL, musste 1,6 Tonnen Wirz schreddern und zu Erde kompostieren, weil er keinen Abnehmer mehr fand. «Das tut weh», sagt Eschbach. Doch im Verhältnis sei die weggeworfene Menge nicht so gross, wenn man den Wochenverbrauch von 55 Tonnen in der Schweiz anschaue. Zudem fahre er die Produktion jeweils zurück, wenn er viel wegwerfen müsse. Aber: «Im heutigen System muss aufgrund der Überproduktion fast jeder Gemüseanbauer Gemüse schreddern oder in die Biogasanlage geben.»
Grund dafür sei der Drang grosser Produzenten, immer weiter ihre Anbaufläche zu vergrössern und die Kosten mit neuer Technik zu drücken. Verantwortlich dafür seien auch Marktteilnehmer, die jeweils Produkte ausschreiben und den günstigsten Offerten von Zwischenhändlern den Zuschlag geben. «Jene Betriebe, die zuvor geliefert hatten, können aber aufgrund der Investitionen nicht einfach ihren Anbau einstellen, deshalb wird zu viel produziert und die Preise sinken.»
Preis ist tagesabhängig
Für kleinere Betriebe werde es immer schwieriger, am Markt zu bestehen. Aber: «Ich setzte auf Innovationen, um wieder vorwärtszukommen», sagt Eschbach. An den Direktzahlungen liege die Überproduktion nicht: Diese werden pro Fläche ausgerichtet, und die meisten Gemüseproduzenten erhalten keine Gelder.
Der wetterabhängige Schweizer Gemüsemarkt ist laut einem Marktkenner sehr volatil. Zudem bestehen oft nur Abnahmevereinbarungen, aber keine festgelegten Preise. Das heisst: Der Produzent hat mit dem Zwischenhändler zwar eine Abmachung, dass er eine gewisse Menge liefern kann. Der Preis ist jedoch tagesabhängig. Fällt der Ertrag grösser aus als geplant, sinken die Preise und der Produzent hat entweder keinen Abnehmer für die überschüssige Menge oder für den Preis lohnt sich in Ausnahmefällen nicht einmal die Ernte mehr.
«Wer auf gut Glück produziert, darf nicht jammern»
Matthias Zurflüh der Händlerorganisation Swisscofel sagt, man definiere mit den Produzenten eine gewisse Menge, die sie auf jeden Fall liefern können. Den Preis bestimme das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. «Mit den perfekten Bedingungen in diesem Sommer ist der Preis dementsprechend tiefer.»
Auf die Kritik, dieses System führe zu Überproduktion und Food-Waste, entgegnet Zurflüh: «Wer einfach auf gut Glück produziert, ohne im Voraus einen Abnehmer anzubinden, darf nicht jammern: Das ist der freie Markt.» Auch Gemüsegärtner Hans Blaser sagt: «Es gibt auch Jahre, in denen die Preise gut sind, als Betrieb muss man eine Mischrechnung machen.» Es sei zu einfach, die Schuld den Händlern zuzuschieben.
Übernommen von «20 Minuten», bearbeitet durch Redaktion Tamedia.
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