«Wir wollen Inklusion sexy machen»
Eine blinde Serviertochter oder ein Küchengehilfe im Rollstuhl? Im neuen Restaurant im Berner Länggassequartier des Vereins Blindspot soll dies ab dem 3. Juni zum Alltag werden.

Fragt man Jonas Staub und Anja Reichenbach nach der Motivation für ihren neuen Gastrobetrieb in der Länggasse, erhält man eine ausführliche Antwort. «Wir wollen einen Ort kreieren, an dem der Umgang mit Menschen mit einer Behinderung ganz natürlich ist», sagt Staub. Reichenbach ergänzt: «Unser Konzept soll kopierbar sein – sodass man den offenen Umgang bestenfalls auch in seinem Alltag übernimmt.»
Und Staub fasst zusammen: «Wir wollen Inklusion sexy machen.» Der Begriff Inklusion taucht im Wortschatz der beiden oft auf; sie verstehen darunter, dass Behinderte vollumfänglich – also nicht nur am Arbeitsplatz, sondern im ganzen sozialen Umfeld – eingeschlossen werden.
Angestellte mit Behinderung
Jonas Staub ist sowohl Geschäftsführer des neuen Lokals, das am 3. Juni in der Länggasse eröffnet, als auch Leiter der Organisation Blindspot. Diese kaufte das Haus an der Muesmattstrasse (ehemaliges Länggass-Stübli) im letzten Herbst. In Zukunft sollen hier auch Personen mit körperlicher oder geistiger Behinderung angestellt werden.
Anja Reichenbach begleitet den Betrieb als Projektleiterin: Die junge Frau hat selbst eine Sehbehinderung und weiss deshalb, mit welchen Problemen Betroffene konfrontiert werden. «Ein häufiges Argument bei der missglückten Stellensuche ist die mangelnde Arbeitserfahrung», erklärt sie, «zumindest in diesem Punkt können wir helfen.»
Was für eine Behinderung die Angestellten haben oder wo sie genau eingesetzt werden, lassen Staub und Reichenbach bewusst offen. «Wir wollen uns überraschen lassen, wozu die einzelnen Personen fähig sind», begründet der Geschäftsleiter den Verzicht auf festgelegte Stellen. Vielmehr wolle man die Betroffenen in Positionen einsetzen, «für die sie sich eignen und die sie auch übernehmen möchten.»
Sicher ist hingegen, dass die Angestellten mit Behinderung keine Erfahrung im Gastronomiegewerbe mit sich bringen müssen. Als zwei von drei Betreuungspersonen vor Ort werden sie Staub und Reichenbach bei der Einarbeitung unterstützen, bis sie in die Hände der «Profis» übergeben werden können.
Dass in der Küche und im Service auch professionelle Angestellte arbeiten werden, sei wichtig für die Qualität der Wirtschaft. Auch die Anstellung der Menschen mit Behinderung generiere letztlich einen Mehrwert, erklärt Anja Reichenbach: «Durch die Vielfalt an Charakteren, die bei uns vorhanden sein werden, erhoffen wir uns auch eine besonders offene, freundliche Atmosphäre.»
Zwischennutzung mit Vision
Die Vision, welche Staub schon seit fünf Jahren im Kopf hat, geht über einen reinen Gastrobetrieb hinaus. Von den Wohnungen in den oberen Stockwerken des Hauses profitieren aktuell noch Studenten und Künstler. Irgendwann jedoch soll dort betreutes Wohnen angeboten werden.
Bis diese Vision baulich umgesetzt werden kann, wird das Gebäude durch den Gastrobetrieb zwischengenutzt. Das genaue Angebot wird im Moment noch definiert. «Wir müssen uns auch erst einmal an die ganze Sache herantasten», relativiert Staub, «aber wir sind mit so viel Herzblut bei der Sache, dass wir anfängliche Herausforderungen bestimmt meistern werden.»
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