«Wir werden die Sanktionen schrittweise aufheben»
Russland und die Türkei wollen ihre Beziehungen wieder ausbauen. Nach einem gemeinsamen Treffen nannte Erdogan Putin seinen «lieben Freund».
Russland und die Türkei nähern sich nach einem monatelangen Streit wieder an. «Wir werden die Sanktionen gegen türkische Unternehmen schrittweise aufheben», sagte der russische Präsident Wladimir Putin in St. Petersburg nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan.
Das Verhältnis war nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei im November zerrüttet gewesen. Deshalb seien die Gespräche schwierig gewesen, sagte Putin vor den Medien. Doch Ziel sei, in den bilateralen Beziehungen wieder das Vor-Krisen-Niveau zu erreichen, weshalb Russland die Sanktionen schrittweise aufheben würden, kündigte Putin an. Die Reisen russischer Touristen in die Türkei würden wieder aufgenommen.
«Wir haben noch viel Arbeit vor uns, um die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen wiederzubeleben», sagte Putin weiter. «Der Prozess hat schon begonnen, aber es wird noch eine Weile dauern.» Das Gespräch mit Erdogan bezeichnete Putin als «konstruktiv» und «offen».
Syrien-Gespräche geplant
Auch wirtschaftliche Projekte werden nun wiederbelebt. Erdogan nannte Putin jetzt seinen «lieben Freund» und sagte, sein Land sei bereit, das Projekt einer Erdgasleitung aus Russland in Angriff zu nehmen und einen Vertrag zum Bau eines ersten Atomkraftwerks in der Türkei abzuschliessen.
Über den Syrien-Konflikt wollten er und Erdogan im weiteren Verlauf des Tages sprechen, sagte Putin. In dem seit 2011 tobenden Bürgerkrieg unterstützt Russland Präsident Baschar al-Assad, während die Türkei auf dessen Sturz hinarbeitet.
«Sehr positiv»
Ein ranghoher Vertreter des türkischen Präsidialamts sagte, die Atmosphäre sei «sehr positiv» gewesen. Es gebe einen «klaren Konsens», dass die türkisch-russischen Beziehungen zu dem Stand von vor dem Abschuss Ende November zurückkehren müssten. «Beide Seiten sind entschlossen, die Beziehungen voranzubringen.»
Die Wiederaufnahme der Beziehungen sei im Interesse des türkischen wie des russischen Volkes, sagte Putin bei der im Staatsfernsehen übertragenen Begrüssung. «Wir haben heute eine Möglichkeit, im engen und im grossen Kreis, über den ganzen Komplex unserer Beziehungen zu sprechen. Einschliesslich über die Wiederherstellung der Handelsbeziehungen und den Kampf gegen den Terrorismus», sagte Putin. «Ich bin sehr froh über diese Möglichkeiten.»
Erdogan bedankt sich
Auch Erdogan ist zuversichtlich: «Ich glaube daran, dass wir mit diesem Schritt und zukünftigen Schritten in eine ganz andere Phase eintreten.» Für den türkischen Staatspräsidenten war der Besuch in der früheren Zarenmetropole zugleich die erste Auslandsreise seit dem gescheiterten Putschversuch von Mitte Juli.
Erdogan bedankte sich für die prompte Verurteilung des Putschversuches in der Türkei durch Putin. Dessen persönlicher Anruf einen Tag nach dem Umsturzversuch vom 15. Juli habe «auch unser Volk glücklich gemacht».
Der türkische Präsident kritisiert mangelnde Solidarität westlicher Staaten, denen er vorwarf: «Der Westen hat sich auf die Seite der Putschisten gestellt.» Putin sagte: «Wir sind immer gegen verfassungswidrige Handlungen gewesen, das ist unsere grundsätzliche Position.» Er fügte hinzu: «In diesem Zusammenhang möchte ich die Hoffnung äussern, dass das türkische Volk dieses Problem meistert und die Gesetzlichkeit und die Verfassungsordnung unter Ihrer Führung wieder hergestellt werden.»
Erdogan hoffte auf Sanktionen-Stopp
Erdogan reiste der türkischen Agentur Anadolu zufolge mit mehreren Ministern und Wirtschaftsvertretern nach St. Petersburg. Die Türkei hatte auf ein Ende der Sanktionen wie etwa die Aufhebung des russischen Importstopps für Obst und Gemüse gehofft. Für die angeschlagene türkische Tourismusbranche wiederum ist die Wiederannäherung wichtig, denn Russen gehörten vor der Krise zu den grössten Touristengruppen. Danach brachen die Besucherzahlen aber fast völlig ein.
Putin seinerseits zeigte sich im Vorfeld des Treffens mit Erdogan daran interessiert, wichtige wirtschaftliche Projekte wiederzubeleben, darunter eine Pipeline, durch die russisches Erdgas in die Türkei strömen soll. Auch will Moskau seinen Einfluss im türkischen Nachbarland Syrien erhöhen, wo russische Kampfjets den Truppen von Präsident Baschar al-Assad seit Ende September im Kampf gegen die Rebellen helfen. Russland und die Türkei unterstützen in dem Krieg rivalisierende Seiten. Wie dort eine mögliche Kooperation aussehen könnte, blieb offen.
«Die Region hat politisch gesehen Erwartungen an uns», sagte Erdogan zu Beginn seines Besuches in St. Petersburg. «Ich glaube, dass unsere Solidarität helfen kann, die regionalen Probleme zu lösen».
Zeichen der Türkei
Putin betonte in Anspielung an den gescheiterten Putsch vom 15. Juli, er sei froh, dass er Erdogan erneut treffe und pries dessen Besuch als Zeichen der Türkei, die belasteten Beziehungen zu reparieren. Dass Erdogan trotz der «sehr schwierigen Lage» in der Türkei gekommen sei, bedeute, dass er den Dialog wieder aufnehmen und den Kontakt im Interesse der Völker beider Länder wieder herstellen wolle, sagte Putin.
Die Türkei hatte Ende November einen russischen Kampfjet im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen. Moskau verhängte daraufhin Sanktionen gegen Ankara. Ende Juni bekräftigte Erdogan sein Bedauern über den Vorfall.
Türkische Regierungskreise versuchten vor der Reise, Sorgen zu zerstreuen, Erdogans Besuch könnte eine Abkehr des NATO-Landes von Europa bedeuten. «Nur weil man Putin besucht, bedeutet das nicht, dass man sich von der EU abwendet», hiess es. Hauptziel sei, die Krise im türkisch-russischen Verhältnis hinter sich zu lassen.
AFP/kat
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