«Wir sind planmässig unterwegs»
Seine Gemeinde sei «einfach nur planmässig unterwegs», sagt Präsident Peter Aeschimann. Im Interview erklärt er, warum ein bisschen Nachtlärm auch positiv sein kann und welche Fahrenden und Flüchtlinge Probleme bereiten.

Ist Matten tatsächlich ein «Kuhplatten», wie das Satireblatt «Jänner-Knacker» behauptet?Peter Aeschimann:Früher traf das zu. Noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg war Matten ein Bauerndorf. Aber heute arbeiten nur noch gerade vier Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in der Landwirtschaft.
Was ist an Matten am spannendsten?Matten hat eine interessante Entwicklung durchgemacht, vom Bauerndorf in ein Dorf mit Tourismus und Kleingewerbe bis hin zum Industriebetrieb. Letzterer ging allerdings mit dem Wegfall des Flugplatzbetriebes grösstenteils verloren.
Als Gemeinde mit immerhin 4000 Einwohnern liefert Matten nur selten Schlagzeilen, weder positive noch negative...Das hat man uns als Gemeinderat schon öfters gesagt. Wir haben in den vergangenen acht Jahren ein stetes, aber gesundes und überblickbares Wachstum angestrebt. Darum verfügen wir heute auch über einen stabilen Finanzplan für die nächsten Jahre. Das ist halt nicht der Stoff für irgendwelche Schlagzeilen oder Spekulationen. Wir sind einfach nur planmässig unterwegs.
Die letzten grossen Schlagzeilen gabs beim merkwürdigen Abschied von Bruno Hofweber von der Rugenbräu AG. Wie hat sich seither das Verhältnis zu diesem grössten Arbeitgeber von Matten geändert?Für die Gemeinde hat sich unmittelbar nichts verändert. Wir hatten schon vorher keinen überaus intensiven Kontakt. Selbstverständlich sind wir froh, wenn wir Gewerbe haben. Aber steuerlich haben wir eher wenige juristische Personen und sind mehr von den natürlichen Personen abhängig.
Aufsehen erregte auch der Plan für einen Schotterabbau im Rugengebiet. Im Juli 2014 sagten Sie, dass das Projekt «eine Chance haben könnte» – war das Wunschdenken im Hinblick auf neue Steuereinnahmen?Ja, das war Wunschdenken. Zudem planten wir in Matten schon zuvor, den Rugentunnel zu verlängern, um auf dem Areal der Rugenbräu und dem Unspunnengelände mehr Platz zu schaffen. Ich konnte mir vorstellen, mit dem Kanton über ein paar Dinge zu verhandeln. Darum hätte ich die Tür nicht gleich geschlossen, sondern die Situation zuerst noch genauer ausgelotet.
Ist das Projekt nun definitiv vom Tisch, oder möchten Sie es weiterhin am Leben erhalten?Ich glaube, das ist für die nächsten fünfzig Jahre vom Tisch. Da das Areal ohnehin dem Kanton gehört, hat die Gemeinde nur ein mässiges Interesse bekundet.
Noch nicht vom Tisch hingegen ist ein möglicher Kauf vom Hotel Sonne. Unter welchen Bedingungen würde die Gemeinde das Haus kaufen?Wir stellen fest, dass auf dem Bödeli viele Hotels und Restaurants in ausländische Hände geraten sind, eines davon, das Unspunnen, auch in Matten. Die Zusammenarbeit mit den neuen Besitzern war und ist sehr schwierig – wir verstehen sie nicht und sie verstehen uns nicht. Das hat uns bewogen, uns für das Hotel Sonne im Dorfzentrum zu interessieren; es ist uns nicht egal, was hier passiert.
Wo stehen die Verhandlungen?Wir werden der Verkäuferin, also der AG von Hanspeter Seiler, demnächst ein Angebot und einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreiten.
Apropos Hotel: Wie wichtig für Matten ist das Projekt beim Jungfraupark?Wir sind gespannt, wie es weitergeht, und würden uns sehr wünschen, dass hier touristisch etwas Attraktives entsteht.
Wie gross ist die touristische und finanzielle Bedeutung des Jungfrau-Parks für Matten?Im Moment ist die Bedeutung nicht sehr gross. Aber die grosse Landfläche hat für die Zukunft noch viel Potenzial.
Wie viel Geld fliesst in die Kasse?Nichts. Aber immerhin profitierten wir in den Anfangszeiten des Parks noch von Billettsteuern.
Bleiben wir beim Tourismus: Ist Matten ein Trittbrettfahrer von Interlaken und dessen touristischen Einrichtungen?Der Ausdruck Trittbrettfahrer ist falsch. Aber selbstverständlich ist es heute den meisten Leuten bewusst, dass Interlaken als Brand weltweit bekannt ist und eine Zentrumsfunktion hat. Die Gemeinden Interlaken, Unterseen und Matten arbeiten in den Tourismusbereichen sehr gut zusammen.
Matten gilt als Treffpunkt von Backpackern mit Lust am Adventure-Tourismus, was immer wieder zu Reklamationen wegen Nachtlärm führt. Bei Ihrer Wahl 2009 versprachen Sie, sich «für eine hohe Wohnqualität, Stichwort Nachtlärm, einzusetzen» – bisher ohne Erfolg?Nicht ohne Erfolg. Wir haben grosse Anstrengungen gemacht, und ich sehe heute, dass man gewisse Verbesserungen erreicht hat. Securitas-Wächter versuchen für Ruhe zu sorgen. Aber ganz weg bringt man den Nachtlärm nicht. Wirtschaftlich gesehen wäre es nicht nur gut, wenn es an der Hauptstrasse ganz still wäre. Schliesslich wollen die jungen Leute – und das war auch schon zu unseren Zeiten so – das Leben geniessen, auch das Nachtleben.
«Ganz weg bringt man den Nachtlärm nicht.»
Ebenso versprachen Sie, sich für «eine Entkrampfung in den Beziehungen zu Interlaken und Unterseen» zu engagieren, die unter der Fusionsdiskussion gelitten hatten – zumindest unter den Gemeindepräsidenten scheint Ruhe eingekehrt . . .Ja, ich empfinde das genau so. Aber nicht nur unter den Gemeindepräsidenten, sondern auch unter den Gemeinderäten.
Und bei der Bevölkerung?Auf dem Bödeli bestehen keine Feindbilder mehr. Und ich bin überzeugt: Wenn jemals wieder ein Fusionsgedanke kommt, dann muss er von der Basis kommen.
Aus Interlakner Sicht müsste ein erneuter Anlauf von Unterseen und/oder Matten kommen. Wann wird dies der Fall sein?Wem es schlecht geht, der sucht oft einen Zusammenschluss. Da es aber heute auf dem Bödeli jeder Gemeinde gut geht, gibt es keinen Grund für Zusammenschlüsse. Wichtig ist, dass wir auf jenen Gebieten zusammenarbeiten, wo es von Nutzen ist, so zum Beispiel bei der Feuerwehr, was sehr gut klappt.
Die Frage war: Wann kommt der nächste Anlauf für eine Bödeli-Fusion?In den nächsten zehn Jahren sehe ich keinen Handlungsbedarf. Was uns hingegen am meisten einschränkt auf dem Bödeli, ist die ganze Raumentwicklung. Wie man es mit den Sportstätten gemacht hat, darf sich nicht mehr wiederholen. In Unterseen das Hallenbad, in Matten das Eissportzentrum, in der Interlakner Lanzenen die Fussballplätze und beim Gymer in Interlaken eine Leichtathletikanlage – aus heutiger Sicht hätte man das bestimmt besser machen können.
«Was uns am meisten einschränkt auf dem Bödeli, ist die ganze Raumentwicklung.»
Mit den anderen Nachbarn Wilderswil und Bönigen teilt man auf dem Flugplatz eine gemeinsame Gewerbezone – für einen FDPler wohl eine Herzenssache?Ja, das stimmt. Wir sind sehr froh, das so lösen zu können, auch mit dem Direktanschluss dank der Aufnahme ins Aggloprogramm.
Weniger Freude hingegen löste bei der Bevölkerung ein anderes Areal beziehungsweise dessen Benutzung aus: Sind die Fahrenden auf dem Platz an der Oberen Bönigstrasse ein Problem?Zurzeit ist das kein Problem, nicht zuletzt weil sich Matten klar abgegrenzt hat und dieser Platz nur für Schweizer Fahrende zur Verfügung steht. Mit ganz wenigen Ausnahmen bereitet das keine Probleme. Mit ausländischen Fahrenden hingegen machten wir weniger gute Erfahrungen. Sie nahmen das Areal ohne Bewilligung in Beschlag. Dank guter Zusammenarbeit mit dem Kanton konnten sie weggewiesen werden.
Mit ausländischen Fahrenden hingegen machten wir weniger gute Erfahrungen.
Ebenfalls nicht von allen willkommen geheissen sind die Flüchtlinge. Wie lautet da die bisherige Bilanz?Solange es Familien waren, die hier Unterschlupf fanden, war alles recht ruhig. Aber aus irgendeinem Grund wurde die Praxis geändert – was Probleme auslöste.
Welche Probleme?Probleme, die lösbar sind – aber für Polizei und Behörden Mehraufwand bedeuten. Es ist insgesamt keine erfreuliche Situation.
Politik hat also auch in diesem Bereich mit Ausdauer zu tun – was Ihnen als begeisterter und erfolgreicher Lauf- und Skisportler keine Mühe macht?Ich habe das Glück, dass ich an den Aufgaben nach wie vor Freude habe und die Herausforderungen durchaus auch sportlich annehmen kann. Dabei ist die Zusammenarbeit im Gemeinderat sehr wichtig – und die war in den vergangenen acht Jahren sehr gut. Man musste und muss gar nicht immer gleicher Meinung sein. Nur so kommt man immer wieder zu guten Lösungen.
Und was wünscht sich der Gemeindepräsident von der Bevölkerung zu Weihnachten?Dass die Bürger aktiver an der Politik teilnehmen. An den Gemeindeversammlungen können wir jeweils nur zwischen drei und sechs Prozent der Bevölkerung begrüssen. Das kann zwar ein Zeichen für das Vertrauen in den Gemeinderat sein. Trotzdem wäre eine höhere Beteiligung wünschenswert. Es mag in einem gewissen Sinn beruhigen, dass es in den meisten Gemeinden nicht anders ist. Aber: Wir haben ein demokratisches Recht, für das in anderen Ländern noch immer gekämpft und geschossen wird. Ich hoffe also sehr, dass man zu diesem System weiterhin Sorge trägt.
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