Marc Schneider im Interview«Wir haben es in der Vorrunde selber verbockt»
Der Trainer des FC Thun spricht nach dem 1:1 beim FC Sion über Druck und Hemmungen im Abstiegskampf – und er sagt, weshalb die starke Rückrunde seines Teams noch nicht für den Ligaerhalt gereicht hat.

Wie haben Sie mit diesem Punkt im Gepäck geschlafen?
Ich schlafe immer gut, egal, ob wir Punkte gewonnen haben oder nicht. (lacht) Aber natürlich ist es angenehmer, mit einem Punkt nach Hause zu reisen.
War es aufgrund des Spielverlaufs mit dem späten Gegentor nach 80 Minuten ein gewonnener Punkt, oder trauern Sie dem verpassten Sieg nach?
Bei diesem Spielverlauf ist es sicherlich ein gewonnener Punkt. Wenn man die Spielanteile anschaut und sieht, dass wir uns nur wenige Möglichkeiten erspielen konnten, während Sion doch einige gute Chancen hatte, müssen wir demütig bleiben und zufrieden sein. Natürlich wollten wir gewinnen und eine Lücke zu Sion schaffen, aber in so einem Spiel ist es wichtig, zumindest nicht zu verlieren.
Thun wirkte im Tourbillon defensiv anfällig, und offensiv lief bis auf das Tor von Nikki Havenaar und zwei Chancen von Ridge Munsy wenig. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Das Spiel ist uns schwergefallen. Wir hatten sowohl offensiv als auch defensiv Probleme, und weil wir es defensiv nicht gut machten, sah dann auch die Offensive schlecht aus. Wir hatten keine gute Raumaufteilung, konnten den Ball in den gefährlichen Zonen nicht in unseren Reihen halten, bewegten uns zu wenig. Es lief nicht so, wie wir uns das vorgestellt hätten. Zum Glück konnten wir nach dem Gegentor gleich reagieren.
Matteo Tosetti sagte nach dem Spiel, die Mannschaft habe lange zu ängstlich gespielt und sich nicht getraut, Fussball zu spielen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, natürlich. Wir haben zu wenig Fussball gespielt, haben uns zu wenig getraut, den Ball zirkulieren zu lassen. Wir waren zu wenig geduldig. Das haben wir auch bei der Videoanalyse heute Vormittag angesprochen. Das müssen wir besser machen.
Bei einer Niederlage wäre die Lage im Abstiegskampf wieder prekärer geworden. Wirkte diese Ausgangslage hemmend?
Das war sicher in den Köpfen der Spieler drin. Das lässt sich nicht verhindern. Wenn man gegen den Abstieg spielt, kann man nicht gleich befreit aufspielen, wie wenn man im Tabellenmittelfeld klassiert ist und es sportlich um nicht mehr viel geht. Der Druck ist sehr gross, und das spiegelt sich dann auch im Spiel.
Inwiefern?
Dass die Spieler ängstlich sind, zu wenig den Ball fordern und vielleicht froh sind, wenn sie ihn nicht mehr haben. Es ist ein Teufelskreis: In so einem kapitalen Spiel will niemand Fehler machen. Aber durch diese Einstellung passieren sie dann eben umso mehr. Wir müssen uns mehr zutrauen.
«Der Druck ist sehr gross, und das spiegelt sich dann auch im Spiel.»
Dank des Punktgewinns konnte Sion immerhin auf Distanz gehalten werden. Allerdings haben die Walliser noch ein Spiel mehr auszutragen. Es dürfte bis zum Schluss eng bleiben.
Es wird brutal eng. Ich denke, es ist gut möglich, dass Sion am Dienstag in Zürich gewinnt und mit uns gleichzieht. Aber wir sagen schon seit eh und je, dass wir nur auf uns schauen. Darum spielt das keine grosse Rolle.
Zumindest der direkte Abstieg droht nach der Niederlage von Xamax bei Servette nicht mehr. Erleichtert das die Arbeit?
Wir haben unser Ziel vor Augen, und das ist der achte Platz. Da spielt der Abstand zu Xamax keine Rolle. Wenn wir keine Punkte mehr holen, wird es schwierig. Schlimmstenfalls könnten wir auch mit zwei Siegen in den verbleibenden Spielen noch in die Barrage kommen, weil Sion das bessere Torverhältnis hat.
Ihr Team hat in der Rückrunde am drittmeisten Punkte geholt (27), ist aber trotzdem noch nicht gerettet. Wenn in der Winterpause, als Thun mit 9 Punkten abgeschlagen am Tabellenende war, jemand diese Punkteausbeute vorausgesagt hätte, hätten wahrscheinlich alle gedacht, dass das für den Ligaerhalt reicht. Nun ist der Kampf noch nicht ausgestanden. Ist das frustrierend?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben es in der Vorrunde selber verbockt. Wenn wir da mehr Punkte geholt hätten, wären wir jetzt gerettet. Wir sind für unsere Lage selber verantwortlich und müssen nicht verzweifelt sein, dass diese 27 Punkte in der Rückrunde noch nicht genug sind. Im Normalfall reicht entweder eine gute Vor- oder Rückrunde dafür, in der Liga zu verbleiben. Letzte Saison hatten wir eine gute Vorrunde (28 Punkte / die Red.) und dann eine schlechte Rückrunde (18) und waren trotzdem noch auf einem Europacupplatz. Dieses Mal ist es umgekehrt. Wir müssen versuchen, stabiler zu werden und über eine Saison hinweg eine gewisse Konstanz auf den Platz zu bringen. Das haben wir die letzten zwei Jahre nicht geschafft. Nichtsdestotrotz können wir mit einer sehr guten Rückrunde die Saison retten.
Verfolgen Sie eigentlich auch die möglichen Gegner der Barrage? Auch da ist es eng zwischen GC und Vaduz. Oder würde Sie das erst interessieren, wenn Thun dann die Barrage spielen müsste?
Ich schaue schon ab und zu ein Spiel in der Challenge League. Aber nicht, um allfällige Gegner zu analysieren, sondern einfach aus Interesse am Fussball. Aber natürlich ist die Barrage bei allen präsent, und wir wissen, dass das ein Szenario ist, das uns blühen könnte. Deswegen schaue ich nun aber nicht jedes Spiel von GC und Vaduz. Der Fokus liegt jetzt auf den letzten zwei Spielen gegen Basel und Zürich. Danach schauen wir weiter.
Nun steht eine in Corona-Zeiten ungewöhnlich lange Pause an. Das Heimspiel gegen Basel findet erst am Freitag statt. Was ist in dieser knappen Woche auf dem Programm? Haben die Spieler auch mal frei?
Am Montag werden die Spieler frei haben, aber danach gilt unsere volle Konzentration dem Spiel gegen den FCB. Die letzten fünf Heimspiele haben wir alle gewonnen. Diese Serie wollen wir fortsetzen. Das ist unser grosses Ziel. Wir werden etwas mehr Zeit haben, taktische Sachen zu trainieren, aber wir dürfen in dieser Phase nicht zu viel in eine Trainingseinheit packen. Das Wichtigste ist, dass die Spieler frisch bleiben. Sie werden in dieser Woche nichts Neues lernen, das für die letzten zwei Spiele entscheidend sein wird.
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