«Wir haben Angst, dass der Zorn uns trifft»
Der Urheber des umstrittenen antiislamischen Films ist angeblich ein koptischer Christ. Nun geht in Ägypten die Angst um, dass sich der Zorn der Muslime gegen die christliche Minderheit richten könnte.

In aller Deutlichkeit haben sich die Christen in Ägypten von dem antiislamischen Film distanziert, der in der gesamten muslimischen Welt zu blutigen Protesten geführt hat. Aber das Gefühl, dass sich die Gewalt früher oder später auch gegen sie richten wird, bleibt. Das liegt zum einen daran, dass der Produzent des Films ein in den USA lebender koptischer Christ sein soll.
Zum anderen fühlen sich die acht Millionen koptischen Christen in Ägypten zunehmend isoliert in ihrem Land, wo nach dem Sturz des langjährigen Staatschefs Hosni Mubarak die islamistische Muslimbruderschaft an die Macht kam.
Christen werden angegriffen
«Wir haben Angst, dass der Zorn uns trifft», sagt der 58-jährige Monier Hanna. Er habe gesehen, wie zwei unverschleierte christliche Frauen auf der Strasse von muslimischen Männern behelligt wurden, erklärt er. «Sie haben den Frauen gesagt, ihr seid für den Film verantwortlich», berichtet Hanna, der selbst koptischer Christ ist.
Die 23-jährige Mira Girgis, die gerade ihren Hochschulabschluss gemacht hat, beschreibt das Gefühl der Unsicherheit, das sich breitmacht, so: «Ich kann nicht mehr alleine in die Kirche gehen, mein Bruder muss immer bei mir sein», sagt sie. «Ich kann abends nicht ausgehen. Wenn ich von der Arbeit heim komme, muss ein männliches Familienmitglied, entweder mein Vater oder mein Bruder, auf mich an der U-Bahnstation warten. Christ zu sein in Ägypten, das ist schwer unter diesen Umständen.»
Die christliche Journalistin Caroline Kamel schrieb gestern in der Tageszeitung «Schoruk», nachdem sie und ihre Familie an Bushaltestellen in Kairo und anderen Orten angegriffen wurden: «Muss ich mich für die Dummheiten anderer entschuldigen, nur weil wir die gleiche Religion haben?»
Neue Auswanderungswelle der Christen befürchtet
Islamistische Politiker in Ägypten haben ihre Kritik an dem Film ausdrücklich gegen den in den USA lebenden koptischen Christen gerichtet, der als Urheber gilt. Bei den koptischen Christen in Ägypten bleibt indes das Gefühl, dass aus der Wut über den Film eine umfassendere antichristliche Stimmung werden könnte.
Die Kopten stellten einmal die Mehrheit der Bevölkerung in Ägypten, jetzt sind sie eine Minderheit von ungefähr zehn Prozent unter den 85 Millionen Ägyptern. Aber sie sind immer noch die grösste christliche Gemeinschaft im Nahen Osten. Sie wurden zwar schon unter Mubarak diskriminiert, nach seinem Sturz wurden ihre Sorgen aber noch grösser. In der Hoffnung, einen den Islamisten nahestehenden Präsidenten verhindern zu können, unterstützten viele koptische Christen bei der Wahl den letztlich unterlegenen früheren Ministerpräsidenten Mubaraks, Ahmed Shafik.
Auch wenn sich die Kirche jetzt mit den Muslimen solidarisch erklärt hat, so fürchten viele christliche Aktivisten doch, dass sich die Proteste früher oder später auch gegen sie richten werden. Und das wird wohl wieder dazu führen, dass viele Christen auswandern. «Ich erwarte weitere Auswanderungswellen in den Westen», sagt Medhat Kelada, der Vorsitzende einer Organisation koptischer Christen mit Sitz in der Schweiz, die sich mit der Diskriminierung von Christen im Nahen Osten beschäftigt.
dapd/ses
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