WIR: Das Alternativgeld, das jeder loswerden will
Mit WIR-Geld kann nur bei Schweizer KMU bezahlt werden. So bleibt die Währung im Kreis ihrer Nutzer. Und weil es auf dem WIR-Franken keinen Zins gibt, will ihn jeder schnell wieder loswerden.

Stefan Wyss ist Inhaber eines Gipser- und Malergeschäfts in Bern. Wenn er bei potenziellen Kunden eine Offerte einreicht, hört er oft dieselbe ungeliebte Frage: «Wie viel WIR nehmen Sie?» Dann gilt es für Wyss abzuwägen, welchen Anteil des Betrags er in WIR-Franken akzeptieren soll.
Theoretisch spielt das keine Rolle. Denn ein WIR-Franken hat den Gegenwert eines Schweizer Frankens – und Wyss könnte damit bei rund 60000 anderen kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz bezahlen. Genau dies war auch die Idee, als die Genossenschaft «Wirtschaftsring» (daher das Kürzel WIR) vor 75 Jahren ihre eigene Währung einführte: Das Geld soll im Kreise des Gewerbes bleiben – und dank dem Verzicht auf Zinszahlungen nicht auf die hohe Kante wandern, sondern möglichst rasch wieder in Umlauf kommen. Und jene Betriebe, die am System teilhaben, sollen von zusätzlichen Aufträgen aus dem Kreis der WIR-Teilnehmer profitieren.
WIR-Geld existiert nicht in der Form von Münzen und Noten, sondern nur in den Büchern der Genossenschaft, der heutigen WIR-Bank. Nimmt also Maler Wyss 5000 Franken in WIR entgegen, wird dieser Betrag auf dem WIR-Konto des Auftraggebers abgebucht und auf jenem von Wyss gutgeschrieben. Dies funktioniert per WIR-Verrechnungsauftrag, WIR-Debitkarte oder auch über das Internet.
Realer Wert einen Viertel tiefer?
Es fragt sich jedoch, ob das System heute noch Sinn hat. «WIR-Franken muss man nehmen, aber keiner will sie», sagt Stefan Wyss dazu. Er nimmt WIR entgegen, weil dies bei der Auftragsvergabe manchmal ausschlaggebend ist. «Bei ähnlichen Offerten erhält jener den Zuschlag, der am meisten WIR nimmt.» Bei Wyss machen die WIR-Franken 5 bis 10 Prozent des Umsatzes aus. «Eigentlich wäre es ein gutes System, aber in der Bäckerei oder im Ausland kann ich nicht mit WIR bezahlen», auch für Steuern und Löhne benötige er Schweizer Franken. So verwendet Wyss sein WIR-Geld für Anschaffungen wie Arbeitskleidung oder Geräte. So konnte er vor Kurzem einen Computer zu 100 Prozent in WIR bezahlen – in Schweizer Franken wäre dieser jedoch günstiger gewesen, sagt Wyss. Auch Ferien macht er jeweils in einem Bündner Hotel, das ihm seine WIR-Franken abnimmt.
WIR stehe für «Westindischer Rubel», sagen Benutzer der Komplementärwährung scherzhaft – eine Währung, die man lieber nicht allzu lange im eigenen Portemonnaie herumträgt. Der reale Wert des WIR-Frankens liege bis zu einem Viertel unter dem entsprechenden Frankenbetrag, so die Schätzung eines Berner Gewerblers, der nicht namentlich genannt sein möchte. Weil einige Unternehmen – vornehmlich aus der Gastronomie – kaum über liquide Mittel verfügten, müsse er oft wohl oder übel WIR akzeptieren, sagt der Gewerbler.
Die WIR-Bank verbietet den Teilnehmern einen Umtausch von WIR-Franken in Schweizer Franken – ansonsten droht der Ausschluss. Doch im Internet gibt es Mittelsmänner, die den Wechsel anbieten. Die Konditionen sind mit einem Abschlag von bis zu einem Drittel des WIR-Werts gegenüber dem «harten Franken» jedoch kaum lohnenswert.
«Beaulieu»-Wirtin schätzt WIR
In Umlauf gebracht werden die WIR-Franken in Form von Hypotheken und anderen Krediten. Das heisst: Die WIR-Bank vergibt einen Kredit zum Hausbau zu einem gewissen Teil in WIR. Der Kreditnehmer speist die WIR-Franken via Handwerker in den Kreislauf ein – und kann von einem tiefen Zinssatz profitieren. Bereits ab einem Prozent Zinsen vergibt die WIR-Bank solche kombinierten Kredite. Anfang des Jahres betrug die WIR-Geldmenge 874 Millionen Franken. Für 1,9 Milliarden hatte die WIR-Bank zudem Kredite in Schweizer Franken vergeben. Die Bank mit Hauptsitz in Basel finanziert sich jedoch vor allem über eine Kommission von 0,8 Prozent auf alle WIR-Transaktionen.
Auch Doris Rebmann hat vor fünf Jahren bei der WIR-Bank eine der günstigen Hypotheken aufgenommen: Sie hat damals das Restaurant Beaulieu in der Berner Länggasse gekauft. Einen Teil der Hypothek zahlt die Wirtin seither in WIR-Franken ab. Im Gegensatz zu anderen Gewerblern kann Rebmann die WIR-Franken deshalb gut verwenden. Ihre Gästen, darunter viele Handwerker, sind froh, die Hälfte des Rechnungsbetrages in WIR begleichen können. In den letzten Jahren habe der Umsatz mit WIR stagniert, sagt Doris Rebmann.
Mit Krediten «antizyklisch wirken»
Die Hochkonjunktur und die allgemein tiefen Zinsen der vergangenen Jahre haben die Attraktivität des WIR-Systems geschmälert: Von 2,5 Milliarden Franken Mitte der 90er-Jahre ging der Jahresumsatz aller WIR-Geschäfte im 2008 auf 1,6 Milliarden Franken zurück. «Wenn die Auftragsbücher voll sind, ist die Nachfrage im WIR-Markt kleiner», sagt der Sprecher der WIR-Bank, Hervé Dubois. Wegen der Geldknappheit in Zeiten der Rezession rechnet Dubois nun aber wieder mit einem steigenden WIR-Umsatz. Auch weil die genossenschaftliche WIR-Bank derzeit für KMU günstige Investitions- und Überbrückungskredite im Umfang von 100 Millionen WIR-Franken zur Verfügung stelle: «Unser System soll antizyklisch wirken.»
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