BesseresserWilder-Gefühle beim Car-Dinner
Der Landgasthof Rohrmoos in Pohlern funktioniert während des zweiten Shutdown den Parkplatz um. Die Besseresser haben dort im Auto gespeist.

Wie in der SRF-Krimiserie Wilder fühlen sich die Besseresserinnen auf der Fahrt ins Restaurant Rohrmoos in Pohlern am Fusse der Stockhornkette. Wir fahren durch die regnerische Nacht, die noch dunkler ist als üblich. Im Normalfall leuchtet in praktisch jedem Dorf das einladende Schild eines Gasthofs, doch im zweiten Shutdown sind auch diese dunkel. Nach finsteren Wäldchen, schwarzen Dörfchen und kurvigen Kurven entlang der Landstrasse zwischen Bern und Thun sorgt die Rohrmoos-Tafel für Erleichterung.
Wir sind angelangt bei unserem Abenteuer: einem Car-Dinner. Sofort werden wir eingewiesen, parkieren das Auto und erkennen weitere Gäste schemenhaft in ihren Fahrzeugen. Das Praktische hat uns im Vorfeld Sorgen gemacht: Kommt einem beim Essen nicht das Steuerrad in die Quere? Wie schaffen wir es, nicht zu kleckern? Wo stellt man das Weinglas hin? Abenteuerlustigere Mitmenschen haben ihren Camper aus der Garage geholt, um bequem essen zu können. Andere mit kleinen Autos haben sich nach hinten gesetzt, wo kein Lenkrad Platz wegnimmt.

Allen Gästen wird ein eigens dafür konstruiertes Holzkonstrukt geliefert. Darin sind Löcher enthalten, um die Gläser reinzuhängen. Das Glas Prosecco (9.50 Fr.) zeigt: Es funktioniert. Dieses sollte für die Chauffeuse die einzige Einheit Alkohol bleiben, damit der dunkle Weg nach Hause nicht auch noch gefährlich wurde.

Während wir uns einrichten, trommelt der Regen stetig auf unser Dach. Das Rohrmoos-Personal marschiert im Stechschritt unbeirrt vom Gasthof zum Parkplatz. Um nicht noch lange Bestellungen aufnehmen zu müssen, gibt es ein Menü (62 Franken). Vegetarier müssen sich anmelden. Brot, Butter und Besteck haben Platz auf dem Tischchen, schon prekär wird es bei der Flasche Mineralwasser (8 Fr.), die wir pragmatisch zwischen uns ins Fach legen.

Als Vorspeise bekommen wir einen Salat mit Bittersalaten, die nicht gerade mundgerecht, dafür aber sehr frisch sind. Garniert ist das Ganze mit Nüsslisalat, Champignons, Rohschinken und einem unbekannten Gemüse: Sauerklee-Wurzel, die bei der einen Besseresserin für Überraschung sorgt, bei der anderen für Langeweile. Die Sauce wird separat gebracht und ist für unseren Geschmack zu dickflüssig.
Ist der Gang fertig gegessen, so reicht man das Geschirr durch die heruntergelassene Scheibe zurück ans Personal. Bis wir eingespielt sind, dauert das ein Weilchen. Die Besseresserin bereut, dass sie nicht gleich bei der Ankunft auf die Toilette gegangen ist, denn sitzt man erst mal mit diesem Tischchen, ist der WC-Gang etwas umständlich. Auch weil es dermassen giesst, dass man auch noch eine Jacke anziehen muss.
Drinnen im Lokal bietet sich ein trauriges Bild, alle Stühle sind auf die Tische gestellt. Und wiederum kommen Emotionen wie bei Wilder hoch: Die Lampen draussen werfen Schatten an den Decken, fehlt nur noch der Polizist Kägi, der ins Sääli tritt.

Zwischen Vorspeise und Hauptgang gibt es eine längere Pause, bei der wir Sinn und Zweck des Car-Dinners diskutieren. Die Begleiterin findet, dass Restaurants im Lockdown nicht «gehauen oder gestochen» etwas bieten müssen. Und das Personal tut ihr leid, weil es mittlerweile ziemlich durchnässt ist. Aber die Begeisterung der Servicedamen verflüchtigt sich auch im Verlauf des Abends nicht, also ist das Car-Dinner wohl nicht nur eine «Furzidee» des Chefs.

Im Hauptgang essen wir Eglifilet aus dem Oberland mit Mandelblättchen, dazu Bramata mit getrockneten Tomaten. Der Mais ist leider sehr ölig, deshalb, aber auch wegen der grosszügigen Portionen schaffen beide Besseresserinnen nicht auszuessen. Und mit der Aussicht aufs Dessert lassen wir es sowieso besser sein.

Dieses wird deutlich schneller geliefert als der Hauptgang. Das ist uns recht, denn langsam wird es im Auto kalt, und die Sitze sind eindeutig nicht für ein Car-Dinner konstruiert. Wir vergessen das gleich, als der Nusskuchen vor uns steht. Dazu gibt es Semifreddo und Rahm mit Schokolade in Form einer Musiknote. Der Nusskuchen kann – wenn man ihn als Souvenir aus dem Graubünden mit nach Hause nimmt – ranzige Nüsse enthalten. Das ist hier nicht der Fall, weil er schön frisch ist.
Die Desserts allerdings hätten wir teilen können. Auch mit dem Wilder-Polizisten Kägi, dann würde der auch mal ein bisschen Fleisch auf die Rippen bekommen. Wir nehmen nicht nur den Nusskuchen mit nach Hause, sondern auch eine lustige Erinnerung an diesen Abend. Wiederholen tun die Besseresser das nicht, aber es ist eine willkommene Abwechslung in den sonst ziemlich absehbaren Abendessen.
Landgasthof Rohrmoos, Pohlern, Tel. 033 356 24 34gastgeberbeyeler.ch
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