Wie Unternehmer ihre Sozialkosten reduzierenBonus und Ferienzwang: Wie Unternehmer ihre Sozialkosten reduzieren
Weniger Unfälle, weniger Ausfallstunden, weniger Fehltage: Eine Gruppe von Zürcher Unternehmen hat mit Gesundheitsschutz die Produktivität stark erhöht.
Invalidität Von Romeo Regenass Eine Zunahme der krankheitsbedingten Absenzen, höhere Beiträge für die Invalidenversicherung sowie gestiegene Prämien für Unfallversicherungen haben in letzter Zeit bei vielen Unternehmen massive Produktivitätsverluste provoziert. Die Unternehmergruppe Wettbewerbsfähigkeit, ein seit 2005 bestehender Zusammenschluss von Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik, hat diese Woche Strategien gegen diesen Kostenanstieg vorgestellt. Sie fussen auf der Erkenntnis, dass Invalidität fast nie plötzlich eintritt. «Ein erfolgreiches Management der Sozialkosten beginnt immer mit der systematischen Erfassung der Absenzen», sagt Walo Bertschinger, Verwaltungsratsdelegierter der Baufirma Walo Bertschinger. «Eine umfassende Übersicht ist unverzichtbare Grundlage, um Anzeichen einer Invaliditätsgefahr frühzeitig erkennen zu können.» Walo Bertschinger ist es gelungen, die Schadensumme Invalidität innerhalb von fünf Jahren von 7,34 auf 2,27 Millionen Franken zu senken. Das Modell Walo Bertschinger baut darauf, bei Neuanstellungen erstens die gesundheitliche Eignung abzuklären, um Fehlrekrutierungen zu verhindern. Zweitens beurteilen die Mitarbeitenden selber periodisch und systematisch ihre gesundheitliche Eignung für ihre Funktion. Bei Berufen mit erhöhter Verletzungsgefahr erlauben Belastungsprofile bei Bedarf Versetzungen, im schlimmsten Fall auch auf eine Reihe von Schonarbeitsplätzen, etwa in Werkhöfen. Gegenüber den Mitarbeitenden wird höchste Wertschätzung gezeigt: Nach jeder Absenz (inklusive Ferien und Militärdienst) gibt es ein Rückkehrgespräch. Bei Absenzen von über 30 Tagen als Folge von Krankheit oder Unfall kommt ein vierstufiges Betreuungsmodell zum Tragen, um den Mitarbeitenden möglichst rasch wieder einzusetzen und in letzter Konsequenz auch eine IV-Rente vermeiden zu können. Kein Arztzeugnis mehr nötig In einem halbjährigen Versuch verzichtet Walo Bertschinger derzeit vollständig auf das Einreichen von Arztzeugnissen. Man rechnet mit weniger Absenzen. Die Maler- und Gipserfirma Schlagenhauf aus Meilen verlangt ein Zeugnis nicht mehr ab dem ersten Tag, sondern ab dem dritten. «So kann der Mitarbeiter kleinere Probleme ohne Formalitäten auskurieren», sagt Verwaltungsratspräsident Rolf Schlagenhauf. Die Massnahme habe aber noch einen weiteren Vorteil: Die Gefahr falle weg, dass Ärzte Mitarbeiter wegen Bagatellen für eine Woche oder länger krankschrieben. Blumenstrauss für Kranke Die Firma Schlagenhauf wendet ein Bonussystem an: Ein Mitarbeitender, der im ersten Halbjahr keine Fehltage ausweist, erhält einen Bonus von 200 Franken. Ebenso für das zweite Jahr. Bleibt er im ganzen Jahr nie zu Hause, kommen nochmals 100 Franken dazu. «So konnten wir die Produktivität enorm steigern», sagt Schlagenhauf. Plötzlich würden die Arbeitnehmer Kurzferien statt Krankheitstage beziehen. Ist jemand trotz allem mehr als fünf Tage verunfallt oder krank, ruft ihn der direkte Vorgesetzte an und rapportiert das Gespräch ans Personalbüro. Dauert die Abwesenheit an, gibt es zuerst einen Blumenstrauss, dann ruft sogar die Geschäftsleitung an. Nach 20 Tagen tritt das Personalbüro mit der Suva in Kontakt und hilft bei Bedarf, ein Fitnessprogramm oder eine Rehabilitation zu finanzieren. Ziel ist immer, dass der Angestellte möglichst rasch an den Arbeitsplatz zurückkehren kann. Der Winterthurer Maschinenbauer Burckhardt Compression begegnet der IV-Problematik im Unternehmen mit ähnlichen Konzepten. Spezifisch ist die Unterstützung von sportlichen Initiativen des Personals. Es werden Zeit und Infrastruktur zur Verfügung gestellt, bei Teilnahme eines Firmenteams an Anlässen wird ein Teil der Kosten übernommen. Es bestehen Gruppen für Fussball, Laufen, Nordic Walking und Tennis. Zahl der Unfälle nimmt ab Zur Vermeidung von Überbelastungen müssen die Angestellten ihre Ferien jeweils Anfang Jahr eingeben und auch konsequent beziehen. «Überträge von Ferientagen ins nächste Jahr tolerieren wir nicht», sagt Daniel Oswald, IT-Chef und Geschäftsleitungsmitglied. Ungewöhnlich ist das relativ umfassende Angebot an Hilfeleistungen für Mitarbeitende in schwierigen Lebenslagen, das auch einen Service zur Unterstützung der Familie in Ausnahmesituationen vorsieht. Für Oswald ist die Mitarbeitergesundheit auch eine Führungsaufgabe. «Deshalb werden Vorgesetzte bei Burckhardt Compression darin geschult, Problemfälle frühzeitig zu erkennen.» Von 2004 bis 2008 haben die beteiligten Unternehmen, zu denen auch der Couverthersteller Goessler gehört, die Zahl der Unfälle um 12 Prozent gesenkt. Die Ausfallstunden wurden im Schnitt um 29 Prozent reduziert, die Fehltage gingen um 37 Prozent zurück.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch