Wie klingt Shanghai?
Die Künstlerinnen Charlotte Hug und Daria Gusberti sind beide aus dem Ausland zurückgekehrt und präsentieren nun in Berner Galerien, wie sich die Fremde auf ihr Schaffen ausgewirkt hat.

In der Galerie da Mihi taucht man zurzeit ins Reich der Mitte ab. Die kürzlich aus Shanghai und Hangzhou zurückgekehrte Künstlerin und Komponistin Charlotte Hug bespielt die verschiedenen Räume mit komplexen Installationen. Im Kopf sei sie noch in China, sagt die 1965 in Zürich geborene Künstlerin. Dank eines Stipendiums von Pro Helvetia konnte sie drei Monate dort arbeiten und an der China Academy of Art eine Meisterklasse leiten. Bereits um fünf Uhr morgens hätten die Teilnehmenden Qigong im Park gemacht, um danach konzentriert der Meisterklasse zu folgen, in der es um den Körper als Klangerzeuger ging.
Klang ist das Leitmotiv in Hugs Arbeiten. Ihre ureigene Kalligrafie hat sie mit Tusche auf Seide gemalt. Eine gestische Malerei, die ein wenig an Jackson Pollocks «Drip Paintings» denken lässt. Das Konzept der traditionellen chinesischen Landschaftsmalerei sei es, nicht nur in die Landschaft, sondern auch in sich selbst hineinzublicken, so Hug. Sie habe das Äquivalent dazu geschaffen: «Ich höre in den urbanen Raum hinein und visualisiere diese Eindrücke.» Wie klingt eine chinesische Metropole? «Es wird den ganzen Tag geschnetzelt – und zwar in rasanter Geschwindigkeit», erinnert sich Hug.
Skulpturen aus Seite
In der Video- und Installationsarbeit «Sonotopos» treten die beiden Städte Shanghai und Hangzhou klanglich in einen Dialog. Sich um die eigene Achse drehende Skulpturen aus Seide hängen wie Kokons von Seidenraupen von der Decke. Dem synthetisch erzeugten Klang zu folgen, ist eine Herausforderung, denn er ist scheinbar überall und nirgends, was ein reizvolles Raumerlebnis ermöglicht.
Den Arbeiten von Hug stellt die Galeristin Barbara Marbot traditionelle chinesische Malerei und Kalligrafie von Xinglai Yang gegenüber.
Blick auf Athen
Nicht ganz so weit weg wie Charlotte Hug verschlug es die Berner Künstlerin Daria Gusberti. Ein Stipendium der Stadt Bern ermöglichte ihr einen ersten Aufenthalt in Athen, wobei sie sich vorab bereits von zu Hause aus mit der krisengebeutelten Metropole auseinandergesetzt hatte. Zwischen 2015 und 2017 weilte sie dann mehrere Male in der Stadt, um «ihre Vorstellungen zu überprüfen», wie sie selbst sagt.
Gemeinsam mit den von ihr eingeladenen Kunstschaffenden Ino Varvariti und Giannis Delagrammatikas präsentiert sie in der Stadtgalerie im Progr die Ausstellung «Der Standpunkt war nur ein Aussichtspunkt». Das griechische Künstlerpaar sammelt seit einigen Jahren Souvenirs wie kitschige Vasen oder alte Dias. Das auf Flohmärkten vorgefundene Material präsentieren die beiden wie archäologische Funde, die den Weg von der Erinnerung zum Trödel dokumentieren. Dabei stellt sich die Frage, wie viel diese Erzeugnisse der Tourismusindustrie noch mit dem heutigen Griechenland zu tun haben.
Vorgefertigte Bilder hatte auch Gusberti im Kopf, bevor sie nach Athen reiste. «Es interessiert mich, wie wir auf ein fremdes Land blicken.» In der Videoarbeit «My Image Collection» sieht man den Blick auf Meer und Horizont. Das Boot, von dem aus die Aufnahmen gemacht wurden, steuert eine Insel an, kommt allerdings nie an. Gusberti beschreibt im Hintergrund Fotografien, die sie gemacht hat, ohne dass der Betrachter diese zu sehen bekommt. Kann man sich einen Ort durch das Reisen je ganz aneignen? Die Künstlerin bleibt skeptisch.
Ausstellungen: Charlotte Hug, «Son-Icons im Reich der Mitte», bis 31.3., der Galerie da Mihi, Bern; Daria Gusberti, «Der Standpunkt war nur ein Aussichtspunkt», bis 24.3., Stadtgalerie im Progr, Bern.
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