Wie Kirchdorf zum neuen Wappen kam
Die erste Gemeindeversammlung der neuen Gemeinde Kirchdorf hat aus drei Vorschlägen ein neues Wappen gewählt. Die Varianten waren umstritten – und der Weg zum neuen Wappen beschwerlich.

Am Ende ist der Fall klar. Die neue Gemeinde Kirchdorf will kein Wappen mit einer Kirche, wie es vielleicht naheliegend wäre. Sie will kein Wappen mit einem Baum, von denen es hier so viele gibt. Die Gemeinde will ein Wappen mit... mit was?
Das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Und deshalb wird die exakte Definition des Wappens in einer speziellen, codierten Sprache die letzte Herausforderung sein auf dem langen Weg der fusionierten Gemeinde zu einem neuen Wappen. Es wird eine Aufgabe für Manuel Kehrli sein, einem promovierten Kunsthistoriker, der die Gemeinde als Heraldikexperte begleitet hat.
Die Aufgabe
Ein Gemeindewappen zu entwerfen, das ist nichts für kreative Grafiker, keine Sache von ein paar Pinselstrichen, kein Klacks. Es ist eine Wissenschaft und eine politische Angelegenheit dazu. Denn ganz am Ende des Prozesses wird der bernische Regierungsrat das neue Wappen samt der Beschreibung genehmigen müssen.
Am Anfang des Prozesses steht ein Volksbeschluss. Am 21. Mai dieses Jahres entscheiden sich die Stimmbürger der vier Gemeinden Gelterfingen, Kirchdorf, Mühledorf und Noflen für die Fusion zur Gemeinde Kirchdorf auf Anfang 2018.
Klar ist, dass die Gemeinde ein neues Wappen erhalten soll. «Wir hatten das Gefühl, dass wir einen Neuanfang markieren wollen», sagt Franz Müller, Kirchdorfer Gemeinderat und Projektleiter. Die alten Wappen, im Schnitt hundert Jahre alt, sind damit aus dem Rennen: das Kirchdorfer Schlachtbeil, das Mühledorfer Mühlerad, die Hörner von Noflen, die Hügel von Gelterfingen.
Der Workshop
Nun laden die vier Gemeinden Interessierte zu einem Wappenworkshop ein. Dreimal treffen sich rund 15 Personen, sammeln Ideen, zeichnen Entwürfe, machen Vorschläge und verwerfen sie wieder. Aber zunächst lassen sie sich von Kehrli die Regeln der Heraldik erklären.
In der Schweiz und insbesondere im Kanton Bern habe man eine klare Vorstellung von Wappen, sagt der Experte. In Deutschland oder Frankreich etwas sei man viel freier. Pro Wappen dürfen nicht beliebig viele Farben verwendet werden, es gibt eine fixe Farbpalette, es gibt heraldische Objekte, die beachtet werden müssen, es ist alles etwas kompliziert.
Am Ende einigen sich die Workshop-Teilnehmer auf drei Varianten. Ein Grafiker bringt sie zu Papier, und der Heraldiker erteilt ihnen seinen Segen. Das Niveau sei hoch, sagt Kehrli. «Und die Wappen entsprechen alle den heraldischen Regeln.»
Die Varianten
Die Variante «Kirche» zeigt nicht irgendeine stilisierte Kirche, sondern jene aus Kirchdorf, aus Blickrichtung Ost. Sie steht auf einem kleinen grünen Hügel. «Damit unterscheidet sie sich klar vom Wappen Kirchbergs», sagt Kehrli. Denn da steht die Kirche auf einem Dreiberg.
Die Variante «Baum» ist weniger konkret. Sie zeigt weder eine Linde noch einen Obstbaum und auch sonst keine bestimmte Baumart, sondern einfach einen schönen grünen Baum. Auffällig sind die Wurzeln, sie sollen die vier alten Gemeinden symbolisieren. Rote Früchte fehlen – aus heraldischen Gründen.
Die Variante «Abstrakt» schliesslich zeigt viel Rot. Sie zeigt Wellen in Weiss und Blau, die Bezug nehmen auf Aare und Gürbe, zwischen denen die Gemeinde liegt, auch auf den Gerzensee, auf die Dorfbäche. «Wasser spielt für uns eine wichtige Rolle», sagt Müller. Und Rot und Weiss kämen auf allen vier bisherigen Wappen vor.
Die Versammlung
Vorgestern Abend in der Turnhalle Kirchdorf. 176 Stimmberechtigte wollen ihre Stimme zum neuen Wappen abgeben. Vor allem die Variante «Kirche» erhitzt die Gemüter und wird zum Spielball unterschiedlicher Vorlieben.
«Ich sehe unsere Kirche jeden Tag», sagt ein Mann, «für mich ist sie ein grosses Symbol.» Weil aber die Kirche den ganzen Tag von der Sonne angestrahlt wird, vermisst er auf dem Wappen vier gelbe Strahlen. «Die blaue Fläche macht das Wappen etwas dunkel», sagt ein Bürger und fände es schön, wenn es um vier gelbe Sterne ergänzt wird. Also: Antrag auf vier Sterne.
«Die Kirche würde mir auch gefallen», sagt ein weiterer Bürger. «Aber warum machen wir den Hügel nicht etwas grösser?». Schliesslich stünden alle vier Dörfer auf dem Hügel, der also das ganze Gebiet symbolisiere. Antrag auf grösseren Hügel.
Die Versammlung entscheidet, dass die Variante «Kirche» um vier Sterne ergänzt werden soll – im Wissen darum, dass sie erst noch vom Heraldiker geprüft werden müsste.
Die Entscheidung
Letztlich ist die Diskussion vergeblich. Denn in der Abstimmung zu allen drei Wappen erhält das Sujet mit dem Baum 1, die Variante «Kirche mit Sternen» 47 und die Variante «Abstrakt» 121 Stimmen. Die beiden letzteren schaffen es somit in die alles entscheidende Schlussabstimmung. Doch der Abstand ist zu deutlich, der Fall ist klar.
Die Versammlung will das Wappen mit...
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