Erling Haaland bei DortmundWie in den Zaubertrank gefallen
Mit seiner unfassbaren Wucht scheint der Norweger die Position des Mittelstürmers neu zu definieren. Dabei ist er erst 21.

Zwei Spiele, einmal Cup, einmal Bundesliga, und man muss kein Experte in der Welt der gezeichneten Comics sein, um sich die Frage zu stellen: In welchen Zaubertrank mag Erling Haaland als Kind gefallen sein? Ein Antritt, anscheinend egal in welcher Zone des Spielfelds, und man sieht vor dem inneren Auge Asterix und Obelix, die, in eine kleine Staubwolke eingehüllt, durch die Phalanx der Legionäre walzen, und links und rechts fliegen die Römer nur so durch die Luft.
So ähnlich müssen sich die Spieler von Eintracht Frankfurt beim 5:2 gefühlt haben. Nur dass Haaland das alleine macht: An allen fünf Toren ist er direkt beteiligt, zwei erzielt er selbst, dreimal gibt er den Assist. Dortmunds Norweger ist 21 Jahre jung, hat nun in 61 Pflichtspielen sagenhafte 62 Tore erzielt, und man muss allmählich feststellen, dass er mit seiner unfassbaren Wucht die ganze Position des Mittelstürmers gerade neu definiert.
«Haaland ist schon ein unglaubliches Paket»
Kein Wunder, dass Haaland, der kleine und grosse Showeinlagen liebt, sich nach dem Spiel wie ein Gladiator, um mal im Römischen zu bleiben, vor den lange vermissten Massen präsentierte. Das reduzierte Publikum war aus den Dauerkarten-Besitzern ganz überwiegend nach den Kriterien geimpft oder genesen ausgewählt. Aber die Schaukelgesänge aus «Öööörling» auf der einen Seite und «Haaaaland» auf der anderen Seite des Stadions klappten bereits ganz gut.
Wie überhaupt die Erwartungshaltung der Fans sich schon in kollektiv aufgeregtem Stöhnen Bahn bricht, wenn Haaland mit Ball am Fuss die Mittellinie überstürmt. Das gab es bereits beim schnellen Vorgänger Pierre-Emerick Aubameyang so ähnlich, aber der frühere Torjäger des BVB war eben hauptsächlich schnell. Haaland bricht jedes Mal wie eine Ein-Mann-Lawine los, und man ahnt sofort das Schlimmste für die gegnerische Defensive.
Wie lange Haaland auf diesem Energie-Level durch eine Saison wüten kann, weiss man natürlich noch nicht. Am Dienstag wird es für den Cupsieger BVB aber zum ersten Mal in dieser Saison richtig ernst, beim Supercup gegen Meister Bayern München. «Über den zweiten und dritten Platz», sagte Captain Marco Reus nach dem Frankfurt-Spiel aufgekratzt, «muss man in Dortmund nicht gross reden, bei dem Publikum und unserer Geschichte.» Sollte heissen: Eine erste Standortbestimmung gibt es bei den Münchnern. Dass da die Römer in so hohen Bögen fliegen, wie bei Frankfurt gegen Haaland, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Wie bleibt ein Überflieger am Boden?
Reus, der in seiner filigranen, eleganten Art so völlig anders als Haaland ist, aber fast genauso viel zum Dortmunder Erfolgswirbel beitrug, meinte aber: «Er ist schon ein unglaubliches Paket.» Was soll man auch sagen, wenn man den vor Selbstbewusstsein ohnehin schon strotzenden jungen Mann nicht endgültig überschnappen lassen will.
Marco Rose, Dortmunds neuer Trainer, war deshalb erkennbar bemüht, die Mannschaftsdienlichkeit seines Mittelstürmers herauszustellen: «Wie Erling für die Mannschaft und seine Mitspieler rennt und ackert, das macht ihn genauso aus wie seine Tore.» Ganz einfach dürfte es allerdings nicht sein, den Überflieger halbwegs am Boden zu halten. Und dann wäre ja noch die Frage, ob man das überhaupt will, oder ob man ihn nicht einfach machen lässt.
Rose lobte sich nicht selbst, obwohl ihm erkennbar schon gelungen ist, die Umbauarbeiten seines Interims-Vorgängers Edin Terzic spürbar fortzuführen. Vielleicht wird der BVB das Umschalttempo nach Balleroberung manchmal etwas dosieren müssen, das Pressing ökonomischer aufteilen.
Aber zumindest hat man den Eindruck, dass Borussia Dortmund jetzt einen Trainer hat, der sich nicht im diametralen Widerspruch zur Kader-Zusammensetzung befindet, wie man das noch in den zweieinhalb Jahren bei Lucien Favre beobachten musste. Rose sagte den klugen Satz: «Ich habe nicht den Eindruck, dass dieser Verein sich ständig zurücksehnt zu den Zeiten unter Jürgen Klopp, sondern dass wir hier zusammen etwas Neues entwickeln wollen.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.