Wie gut vernetzt sind die Kandidaten?
Der Stapi-Check, Teil 5: Die Stapi oder der Stapi repräsentiert Bern weit über die Stadt hinaus. Ursula Wyss und Alec von Graffenried können sich dabei auf ein grosses Netzwerk stützen. Bei Bundeshausjournalisten kamen sie unterschiedlich an.
Das Nationalratsmandat von Alexander Tschäppät (SP) sorgte für Diskussionen. Der abgetretene Stadtpräsident beteuerte stets, er könne im Bundeshaus für die Bundesstadt etwas herausholen. Kritiker fanden, der Stapi hätte im Erlacherhof, dem Sitz der Stadtregierung, genug zu tun.
Unbestritten ist, dass ein – oder eine – Stapi gar nicht zu gut vernetzt sein kann; für Bern, Sitz der Kantons- und der Bundesregierung sowie des nationalen Parlaments, gilt dies besonders. Unbestritten ist auch, dass Ursula Wyss (SP) und Alec von Graffenried (GFL) beide über ein weit verzweigtes Netzwerk verfügen.
Region, Kanton, Bund
Auf die Bitte, sein Netzwerk zu skizzieren, antwortet von Graffenried – Alt-Regierungsstatthalter, Alt-Nationalrat, Präsident von Bern Tourismus und Direktor beim Baukonzern Losinger Marazzi – in zahlreiche Abschnitte gegliedert. Aus der Statthalterzeit kenne er «alle Gemeinden rund um Bern aus nächster Nähe, inklusive des Führungspersonals».
Bei der Regionalkonferenz habe er regelmässig Versammlungen besucht, bei der Gründung der Hauptstadtregion sei er dabei gewesen. Er habe beste Kontakte zum Städteverband, zu Kantonsverwaltung und -regierung, in die Bundesverwaltung.
Seit 1990 arbeitet er im Bereich Baurecht/Raumplanung – seine Ausführungen dazu lassen sich so zusammenfassen: Von Graffenried kennt auf Experten- wie auf Behördenseite, bei herkömmlichen Investoren wie bei gemeinnützigen Wohnbauträgern alle.
Ursula Wyss' grosses Plus ist dagegen, dass sie als Gemeinderätin die Stadt Bern bereits vier Jahre lang gegenüber verschiedenen Gremien und Gemeinden, dem Kanton und dem Bund vertreten hat. Sie ist Verwaltungsratspräsidentin von Bernmobil, vertritt in der Regionalkonferenz die Stadt in den Kommissionen Verkehr und Raumplanung, sie präsidiert innerhalb des Städteverbands die Sektion Städtekonferenz Mobilität, und auch sie war Nationalrätin.
Als Verkehrsdirektorin sei es «selbstverständlich, mit allen umliegenden Gemeinden einen guten Draht zu haben» und «auf Augenhöhe» sowie «losgelöst von Parteizugehörigkeit» miteinander zu kooperieren. Auf kantonaler Ebene funktioniere die Zusammenarbeit mit dem Regierungsrat ebenso gut wie der Einbezug der Grossräte «aus der Region, aber auch aller anderen».
Frage der Etikette
Im Bundeshaus weibelte Wyss als Fraktionschefin der SP, von Graffenried präsidierte die Rechtskommission und agierte mehr im Hintergrund. Dennoch konnten sich Bundeshausjournalisten über beide ein differenziertes Bild machen. Ein solches zeichnen auf Anfrage Urs Paul Engeler, der lange für die «Weltwoche» aus Bern berichtete, sowie Marcel Odermatt, Bundeshausredaktor für «Blick» und «SonntagsBlick».
Wyss sei seiner Ansicht nach «klarer etikettiert» als von Graffenried, sagt Engeler. So distanziere sich dieser gern von seiner patrizischen Herkunft, «aber seine Nationalratskolleginnen und -kollegen lud er dann doch aufs claneigene Schloss Burgistein zum Sommerfest ein».
Ein anderes Beispiel sei die Abzockerinitiative: «Da wetterte er am Rednerpult gegen Abzocker und gab den empörten Kleinbürger. Gleichzeitig arbeitete er als Direktor beim französischen Grosskonzern Bouygues, für dessen Chefs das Abzockerschlagwort auch gegolten hätte.»
«Auch wenn sie einen charmant angelächelt hat, war bei ihr in jedem Moment klar, dass sie einen politischen Masterplan im Kopf hat.»
Wyss erlebte Engeler als «gerissene Macherin», die ihre Fraktion nicht ohne Reibungen, «aber doch relativ erfolgreich» geführt habe. «Auch wenn sie einen charmant angelächelt hat, war bei ihr in jedem Moment klar, dass sie einen politischen Masterplan im Kopf hat.»
Kritisch bemerkt Engeler, dass Wyss' Einfluss über die eigene Fraktion hinaus seiner Ansicht nach «nicht allzu gross» war. Da seien Jacqueline Fehr oder Simonetta Sommaruga viel einflussreicher gewesen. «Aber möglicherweise gehörte das auch zur Arbeitsteilung innerhalb der SP.»
Boulevard-Potenzial
«Blick»-Mann Odermatt findet, Wyss habe im Bundeshaus «Respekt über die Parteigrenzen hinaus» genossen und ihre Fraktion «immer im Griff» gehabt. Gleichzeitig habe sie sich medial in Szene zu setzen gewusst.
«Dieses Jahr stieg sie für unsere Zeitung mit ihrem Sohn Lyonel auf das Berner Münster und machte darauf aufmerksam, dass es berufstätige Frauen in der Schweiz immer noch schwer hätten. Im April 2011 kündigte sie bei uns im schönen Rosengarten an, dass sie ihr zweites Kind erwartet und ein Exekutivamt anstrebt», so Odermatt weiter.
Die Rolle von Graffenrieds im Bundeshaus sei nicht mit jener von Wyss vergleichbar gewesen, so Odermatt. Dies hänge auch damit zusammen, dass die Grüne Partei im Parlament eine Kleinpartei sei. Darin sei von Graffenried «der rechteste Grüne unter der Bundeshauskuppel» gewesen.
Boulevard-Potenzial habe auch «der aristokratisch wirkende Neo-Gemeinderat».
Boulevard-Potenzial habe auch «der aristokratisch wirkende Neo-Gemeinderat», so Odermatt: «So schrieb er den Songtext für den Wahlsong, als seine grüne Kollegin Maya Graf 2011 Nationalratspräsidentin wurde. Damit schaffte er es sogar in den ‹SonntagsBlick› – einer seiner seltenen Auftritte.»
Stapi-Check live
Wie schlagen sich Ursula Wyss und Alec von Graffenried ohne Netz und doppelten Boden? Die BZ bittet die beiden Kandidierenden zum Live-Stapi-Check in den Progr: Morgen Donnerstag, 5. Januar,stellen sie sich den Fragen von geladenen Vertretern aus Gewerbe, Politik und anderen Interessengruppen.
Ab 19 Uhr, in der Aula des Progr, Speichergasse 4. Ab 18.30 Uhr und nach der Diskussion gibt es Barbetrieb. Der Eintritt ist frei.
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