Wie es um die Rechte von Homosexuellen in der Schweiz steht
Schlechter als Montenegro, Albanien und Bosnien: Bei der Gleichstellung von Homo-, Trans- und Intersexuellen hinkt die Schweiz hinterher.

Zwei Menschen des gleichen Geschlechts die Eheschliessung zu verweigern, sei eine ungleiche Behandlung «ohne jede rationale Grundlage». Zu diesem Schluss kam Ende Mai das Verfassungsgericht von Taiwan. Nun hat heute auch der deutsche Bundestag die Ehe für Alle gutgeheissen.
Es ist eine Erkenntnis, die sich weltweit in immer mehr Ländern durchsetzt. Auch in der Schweiz dürfen gleichgeschlechtliche Paare hoffen: Gemäss einer Umfrage von letztem Jahr befürworten 69 Prozent der Stimmberechtigten tendenziell eine Öffnung der Ehe.
Das ist aber bei weitem nicht das einzige Anliegen von Schwulen-, Lesben-, Transgender- und Intersexuellen-Organisationen. Deren weltweiter Dachverband Ilga stellt 55 Forderungen – von der Stiefkindadoption bis zum Verbot der operativen Geschlechtszuweisung bei intersexuellen Kindern. Gemäss einem kürzlich veröffentlichten Bericht erfüllt die Schweiz die Anforderungen der Ilga zu 31 Prozent. Sie nimmt damit Rang 26 unter 49 Ländern Europas ein, liegt gleichauf mit Bosnien-Herzegowina und leicht vor Italien mit 27 Prozent. An der Spitze der Liste steht Malta mit 88 Prozent erfüllten Forderungen, dahinter folgen Norwegen, Grossbritannien, Belgien und Frankreich.
Am schlechtesten schneidet die Schweiz beim Schutz vor homophober Gewalt und herabwürdigenden Äusserungen ab. Von acht Forderungen erfüllt die Schweiz in dieser Kategorie keine. So sind homophobe Äusserungen in der Öffentlichkeit heute anders als rassistische nicht per se strafbar.
Nur wenige Forderungen erfüllt die Schweiz auch im Bereich der rechtlichen Anerkennung und der körperlichen Unversehrtheit von Transgender und Intersexuellen. So können Personen, die sich nicht mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren, ihr bei den Behörden registriertes Geschlecht nur über einen Gerichtsentscheid ändern lassen. Zudem existiert noch kein Verbot, intersexuellen Kindern operativ ein Geschlecht zuzuweisen, bevor diese selber darüber entscheiden können.
Im Bundeshaus sind die Lücken in der Antidiskriminierungs-Gesetzgebung bekannt. Vor einem Jahr erarbeitete das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte im Auftrag des Bundesrats eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie der Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung, aber auch aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion verstärkt werden könnte. Der Bundesrat versprach einige Anliegen zu prüfen und verwies ansonsten oft auf laufende Gesetzesrevisionen. Andere wies er kurzum zurück. Die Rechtskommission des Nationalrats war damit nicht zufrieden und forderte vom Bundesrat einen «konkreten Aktionsplan für den Schutz vor Diskriminierung». Der Nationalrat verwarf das Begehren aber im März denkbar knapp: mit 91 zu 91 Stimmen und Stichentscheid von Präsident Jürg Stahl (SVP).
«Es tut schon weh, wenn die Schweiz nur unter ferner liefen in der Rangliste steht», sagt der Zürcher SP-Nationalrat Martin Naef, der sich seit über 20 Jahren für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzt. Er verweist auf die Vorreiterrolle, die die Schweiz durch die Einführung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs einnahm. Dieses entkriminalisierte 1942 homosexuelle Handlungen von Personen ab 20 Jahren. Heute sei der Bundesrat «nicht sehr mutig», sagt Naef, vielleicht auch, weil er fürchte, mit einer mutigen Vorlage zu scheitern.
Verschiedene Vorstösse hängig
Trotzdem ist Naef zuversichtlich, dass sich in den nächsten Jahren einiges tun wird. «Die Ehe für alle wird kommen. Die Ausweitung des Rassendiskriminierungsartikels wird kommen.» Letzteres ist eine Gesetzesänderung, die im Parlament bereits hängig ist. Die Rechtskommission des Nationalrats arbeitet hierzu auf eine parlamentarische Initiative des Walliser SP-Nationalrats Mathias Reynard hin eine Vorlage aus. Der Nationalrat hat die Frist hierzu kürzlich verlängert; in der Frühjahrssession 2019 muss er sie aber behandeln.
Sowohl die Öffnung der Ehe als auch die Strafbarkeit von homophoben Äusserungen werden im Bericht der Ilga verhältnismässig stark gewichtet. Kommen die beiden Anliegen durch, wird die Schweiz in der Rangliste der Ilga deshalb einen kleinen Sprung machen. Wenn denn die anderen Länder nicht rascher handeln.
Dieses homosexuelle Paar hofft in Deutschland auf ihre Hochzeit. Video: AFP
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