«Wie eine Bombe»
Trump meint, die Hexenjagd sei vorbei, die Demokraten halten ein Impeachment für unausweichlich. Und wie sehen es die US-Medien?

Gordon Sondland, US-Botschafter bei der EU, hat vor dem Kongress ausgesagt, dass Präsident Donald Trump ihn und andere Regierungsmitarbeiter direkt angewiesen habe, mit seinem persönlichen Anwalt Rudy Giuliani zusammenzuarbeiten, um die ukrainische Regierung unter Druck zu setzen. Was eigentlich klar nach einem schweren Vergehen des US-Präsidenten klingt, scheint nicht für jeden tatsächlich so klar zu sein.
Trump selbst etwa stellt Sondlands Aussagen in seinen Twitter-Verlautbarungen als Entlastung erster Güte hin. Die «Hexenjagd» gegen ihn sei damit vorbei. Die US-Demokratin und Bewerberin auf die Präsidentschaftskandidatur Kamala Harris sieht das ganz anders: «Trumps handverlesener Botschafter hat gerade der Welt das gesagt, von dem wir wissen, dass es wahr ist: Dieser Präsident hat eine ausländische Regierung wegen seiner eigenen politischen Interessen erpresst. Impeachment ist die einzige Option», schreibt sie, ebenfalls auf Twitter.
Nun ist Twitter dafür bekannt, dass es jenen, die Fans einfacher Wahrheiten – zumal der eigenen Wahrheit – sind, perfekt dazu dient, sich ihrer selbst zu vergewissern und ihre Anhänger mit ihren Ansichten zu versorgen. Und das gerne getarnt als angebliche Fakten. Hilft also ein Blick in die Presse, um die Frage zu beantworten, ob Trump denn nun aber wirklich in der Klemme sitzt oder doch wieder mit allem davonkommt? Kommt darauf an, welche Quelle man nutzt.
Wenig überraschend teilt sich die US-Presse – so wie das ganze Land – in Trump-Befürworter und -Kritiker beziehungsweise -Gegner. Und während viele kritische Medien Sondlands Aussagen daraufhin abprüfen, inwiefern sie für ein Impeachment Trumps relevant sein könnten, ziehen andere Medien sogar in Zweifel, dass das Verhalten des Präsidenten in der Ukraine-Affäre generell moralisch fragwürdig sei.
«Desaströser Tag für Trump»
Journalistin Michelle Goldberg schreibt in einem Kommentar für die «New York Times», Sondland habe mit seinen Aussagen den Kern der Argumentation der Demokraten für ein Impeachment bestätigt. Auch die «Washington Post» hält Sondlands Einlassungen für einen Paukenschlag in den Bemühungen der Demokraten, Trump des Amtes entheben zu lassen. Sondlands Zeugenaussage habe «wie eine Bombe» eingeschlagen, die seine Unterstützer bei den Republikanern ins Chaos stürze.
Beide Zeitungen gelten als kritisch gegenüber Trump und sehen sich regelmässig heftigster Angriffe von ihm ausgesetzt. Aber wie soll man auch nicht kritisch gegenüber einem Präsidenten sein, der, wie die Zeitungen regelmässig nachweisen, notorisch lügt? Die «New York Times» etwa betreibt umfangreiches Fact-Checking auch und vor allem zu Trump, die Redaktorin Linda Qiu ist allein dafür abgestellt.
Der Fernsehsender CNN, den der Präsident zu seinem Intimfeind erklärte und dessen Journalisten er bereits von seinen Pressekonferenzen ausschloss, schreibt von einem «desaströsen Tag für Trump».
Wie sieht es mit den Trump-Medien aus?
Die selbst ernannte Nachrichtenseite Breitbart, die gerne mit erfundenen Geschichten und rechter Hetze auffällt, will – wenig überraschend – aus der Aussage herausgelesen haben, dass Sondland nur ein Quidproquo Trumps im Zusammenhang mit einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten im Weissen Haus bestätigte, nicht aber mit von Trump verweigerten Militärhilfen für die Ukraine.
Und der Sender Fox News stellt Sondlands Aussagen als reine Auslegungssache hin, je nachdem, ob man den Republikanern oder den Demokraten zugeneigt sei. Einer ihrer Kommentatoren, Greg Gutfeld, sieht den Grund für das Entsetzen vieler Journalisten nach der Sondland-Anhörung darin, dass diese einfach nicht kapierten, wie man Geschäfte mache. Deshalb bewerteten sie Trumps und Sondlands Gebaren für falsch.
Zum Kern-Vorwurf der Demokraten in ihren Impeachment-Bemühungen – dem Vorwurf, dass Trump von der Ukraine Korruptionsermittlungen gegen seinen potenziellen Herausforderer beim nächsten Präsidentschaftswahlkampf, Joe Biden, erpressen wollte, um ihn als Konkurrenten aus dem Weg zu räumen – führt er noch folgenden Gedanken aus: Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten sich mit einer Person beschäftige, die womöglich korrupt ist und sich mit einem korrupten Land einlässt, dann komme das vielleicht dem Präsidenten zugute, dass diese Person überprüft werde. Aber eben auch dem Land. Das sei «kein Verbrechen». Gutfeld ist neben seinem Journalistenberuf auch Satiriker.
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