Wie die Schweiz mit Hudigääggeler aufrüstete
Forscher untersuchen, wie das Radio im Kalten Krieg mithilfe von Volksmusik das Image der Schweiz zu formen versuchte. Ihnen steht eine faszinierende Sammlung aus 8000 Tonbändern zur Verfügung.

8000 Tonbänder mit Volksmusik trug der Musikwissenschaftler Fritz Dür in den 1950er- und 1960er-Jahren für den damaligen Schweizerischen Kurzwellendienst (KWD, später Schweizer Radio International) zusammen. Nun erkunden Kulturwissenschaftler die «musikalische Visitenkarte der Schweiz» im kalten Krieg. Noch bis 1987 gingen Stücke der Sammlung über den Äther, dann verschwand sie in den Archiven und ging allmählich vergessen, wie die Uni Zürich (UZH) in einer Mitteilung schreibt. Vor kurzem wurde die Sammlung schliesslich im 7. Untergeschoss der Berner Nationalbibliothek wiederentdeckt.
Im Projekt «Broadcasting Swissness» untersuchen Zürcher, Basler und Luzerner Forscher die Frage, wie mit Hilfe von Volksmusik ein bestimmtes Image der Schweiz konstruiert und vermittelt wurde. Der Schweizerische Nationalfonds und der Verein Memoriav, der sich der Erhaltung von audiovisuellen Kulturgütern widmet, unterstützen das Projekt.
Propaganda mit Hudigäggeler
Die Luzerner Forscher erkunden die damalige Volksmusikszene der Schweiz und das Repertoire der Sammlung aus musikwissenschaftlicher Sicht. Die Basler Kollegen untersuchen, wie dieses Repertoire vom Sender, der sich als «Stimme der Schweiz» verstand, programmiert und von den Hörerinnen und Hörern rezipiert wurde.
Johannes Müske von der Uni Zürich geht den Fragen nach, wie und vor welchen politischen und institutionellen Hintergründen die Sammlung entstanden ist. Gerade in dieser Hinsicht zeige sich eine enge Verflechtung von Musiksammlern, Radio und Kulturpolitik, erklärt er in der Mitteilung.
Das war schon vor Dür so: Auch das Programm der 1931 gegründeten Schweizer Rundspruchgesellschaft (SRG) stand zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs ganz im Zeichen der «geistigen Landesverteidigung»: Die SRG-Radiostudios in allen Landesteilen begannen in den späten 1930er- und den 1940er-Jahren damit, Lieder und Ländler aufzunehmen und zu senden.
Auch die Musik sollte dazu beitragen, die Schweizerinnen und Schweizer zu einen und in ihrem Widerstandswillen zu stärken. Der Kurzwellendienst, der ab 1940 regelmässig sendete, war Teil der Propaganda.
Kalter Krieg im Äther
Fritz Dür war in den 1950er- und in den 1960er-Jahren Leiter der Sonothek des Kurzwellendienstes (KWD). Er erhielt den Auftrag, eine grosse Auswahl an Schweizer Musik zusammenzustellen. Erstmals stand ihm dazu das Tonband zur Verfügung. Dür sammelte bestehende Aufnahmen der SRG-Studios in den Landesteilen zusammen und kopierte sie auf Band.
Neben den stereotypischen Jodel- oder Schwyzerörgeli-Stücken finden sich in seiner Sammlung auch klassische Musik und Bearbeitungen für Unterhaltungsorchester. Dank mobiler Tontechnik konnte er Musik, die in Wirtshäusern und an Festen selbst in den abgelegensten Bergtälern gespielt wurde, für seine Sammlung live aufnehmen.
Dür schuf so einen eigentlichen Kanon der Schweizer Volks- und Unterhaltungsmusik, der schliesslich über den Äther in die Welt ging.
Im «Kalten Krieg» ging es laut Müske nicht mehr nur darum, sich nach innen zu einen, sondern sich nach aussen darzustellen. «Die SRG wollte mit Sendungen in die 'Dritte Welt' sozusagen auf einem Schauplatz des kalten Wellenkriegs präsent sein», sagt Johannes Müske. Der Bund erachtete die Arbeit des KWD als so wichtig, dass er ab 1964 den Sender finanziell unterstützte.
Ausstellung mit Hörproben
Noch sind viele Fragen über die Motive und Kriterien für die Sammlung offen. Ihnen werden sich die Forscher in den nächsten drei Jahren, in denen das Projekt läuft widmen. Danach wollen sie die Musik der Sammlung Dür auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Geplant ist etwa eine Ausstellung mit Hörproben.
SDA/kle
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