TheaterWie die Jugend auf die Welt blickt
Schauen, vernetzen und spielen, spielen, spielen: Jugend-Theater- und -Tanzclubs der ganzen Schweiz treffen sich in Bern.

Sie rennen mal aufeinander zu, gehen rückwärts oder wirbeln scheinbar chaotisch durcheinander. Sie schliessen die Augen und bauen sich dann zu einer Pyramide auf. Die 15 Jugendlichen im Tanzstück «Augenblicke» – 14 Mädchen und ein Junge – entfachen auf der Bühne des Tojo-Theaters ein Feuerwerk.
Unter Leitung der Choreografinnen Britta Gärtner und Regula Mahler haben die Jugendlichen von Junges Tanztheater akar & Tanzplatz Vorbern ein ebenso rasantes wie persönliches Stück einstudiert, das sie nun im Rahmen des Festivals «Spiilplätz» präsentieren konnten. Das Festival wurde 1998 in Basel gegründet und vereint Theater- und Tanzjugendclubs der ganzen Schweiz. Im Turnus findet die Veranstaltung in verschiedenen Schweizer Städten statt. In Bern gastierte «Spiilplätz» zuletzt 2018.
Wer bin ich? Wo gehöre ich hin?
Saskia Winkelmann (31), die Leiterin des diesjährigen OK-Teams von «Spiilplätz» Bern, ist überzeugt, dass die Fragen, die Jugendliche umtreiben, immer ähnlicher Natur sind: «Wer bin ich in der Welt? Wo gehöre ich hin?», das frage sich doch jede Generation, so die Theaterschaffende und Autorin. «Es geht um Existenzielles.»
Im Stück «Augenblicke» wird mit einfachen Requisiten – Kleiderbügel, ein Ball oder Handys – das Freizeitverhalten der Jugendlichen reflektiert und mit Videos das Geschehen auf der Bühne illustriert oder gegengeschnitten. Was sind eure wichtigen Augenblicke? Mit dieser Fragestellung haben die Choreografinnen die Jugendlichen konfrontiert, die das Stück mehrheitlich durch Improvisieren in kleinen Gruppen eigenständig erarbeitet haben. Sie schenken sich gegenseitig Blicke, schauen herausfordernd direkt ins Publikum oder versuchen sich mal tänzerisch in die Gruppe zu integrieren, mal sich als Individuum zu behaupten.
Das Publikum ist an diesem Mittwochabend so jung wie die Auftretenden – es sind mehrheitlich Jugendliche aus anderen Theater- und Tanzjungendclubs der insgesamt elf mitmachenden Institutionen da. Stücke von anderen Clubs zu sehen, ist Programm: Die über das Jahr erarbeiteten aktuellen Präsentationen werden im Anschluss in moderierten Nachgesprächen behandelt. Alle Teilnehmenden nehmen zudem an zehn Workshops teil und können sich so untereinander vernetzen.
Als «Battle», als Wettkampf, ist die Veranstaltung allerdings nicht gedacht. «Es geht bei den Nachgesprächen darum, zu sehen, was andere machen und wie man darüber sprechen kann», so Winkelmann. Carole Meier (51), Leiterin der Tanzschule akar, findet die Plattform, die das Festival den Jugendlichen bietet, sehr wichtig. «Es ist einfach toll, wie ernst die Jugendlichen genommen werden und was sie für eine Wertschätzung erfahren.» Zum ersten Mal sei ihre Schule eine Koproduktion mit den Jugendlichen von Tanzplatz Vorbern eingegangen.
Endlich auf der Bühne
Sind diese Schweizer Jugendclubs eigentlich Talentschmieden? Winkelmann mag den Begriff nicht, da er suggeriere, dass die Jugendlichen geformt würden, wobei es im Bereich des Tanz- und Jugendtheaters in erster Linie darum gehe, sich auszudrücken. «Aber klar, es gibt immer wieder solche, die später die Kunst als Beruf wählen.»
Als OK-Leiterin hat sie Corona-bedingt ein besonderes Jahr hinter sich. «Wir wussten bis vor einem Monat nicht, ob das Festival auch tatsächlich stattfinden kann.» Sie habe aber die Dringlichkeit, auftreten zu können, der verschiedenen Clubs gespürt. «Macht es», sei der Tenor gewesen.
Um bei «Spiilplätz» mitzuwirken, müssen sich die Theater- und Tanzclubs vorab bewerben. Schultheater werden nicht berücksichtigt – alle Mitmachenden sind an eine Institution angeschlossen. «Wir ermöglichen es, dass alle möglichst viele Produktionen sehen können», so Winkelmann. Das Schöne am Jugendtheater? «Stücke von Jugendlichen sind oft roher als jene von Erwachsenen. Ich bin immer wieder zu Tränen gerührt.»
Festival: Bis am 26.6. www.spiilplaetz.ch
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