Weshalb man in Libyen eingreift und in Syrien zuschaut
In Libyen waren die westlichen Kampfjets sofort zur Stelle. Der Gewalt in Syrien hingegen wird nichts entgegengesetzt. Das habe mit Bashar al-Assads mächtigen Freunden zu tun, sagt ein Experte.

Seit fünf Monaten versucht das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, mit unnachgiebiger Härte die Protestbewegung in seinem Land zum Schweigen zu bringen. Mehr als 1.700 Zivilpersonen sind nach Angaben von Aktivisten bereits bei den Protesten ums Leben gekommen. Über zehntausend sollen im Gefängnis gelandet sein. Doch während die internationale Gemeinschaft in Libyen zum Schutz der Bevölkerung eingegriffen hat, schaut sie den Menschenrechtsverletzungen in Syrien weitgehend tatenlos zu.
Die Situation sei nicht mit der in Libyen zu vergleichen, urteilt der Friedensforscher Bruno Schoch von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Ein angekündigtes Massaker, wie Libyens Machthaber Muammar al-Ghadhafi es der Stadt Bengasi androhte, «muss man, darf man und vor allem kann man verhindern», sagt Schoch. Im Fall Syriens könne sich der UN-Sicherheitsrat wahrscheinlich noch nicht einmal auf eine gemeinsame Resolution einigen. Diese Woche verabschiedeten die Ratsmitglieder eine unverbindliche gemeinsame Erklärung, die die Gewalt in Syrien verurteilte.
Nach dem Beginn des Konflikts in Libyen bildete sich zügig eine einheitliche Front gegen al-Ghadhafi. Die Arabische Liga und die Islamische Konferenz forderten die UNO zum Handeln auf. Die westlichen Vertreter im Sicherheitsrat, mit Ausnahme Deutschlands, schlossen sich dem an. Zu dem Vorgehen des Regimes in Syrien schweigen die arabischen Länder aber bislang.
Ghadhafi hatte es sich mit allen verscherzt
Ghadhafi habe es sich mit den Ländern der arabischen Welt verscherzt, weil er als unberechenbarer und unzuverlässiger Exzentriker gilt, sagt Schoch. Unter al-Assad und seinem Vater Hafis galt Syrien hingegen als zumindest verlässlicher und berechenbarer Spieler im Nahen Osten. Angesichts des prekären Machtgleichgewichts im Libanon und des Nahostkonflikts überwiegen bei den arabischen Staaten offenbar die Stabilitätsinteressen.
Syrien hat ausserdem mächtige Freunde. Damaskus war ein enger Verbündeter der Sowjetunion und die guten Beziehungen mit Moskau dauerten auch nach dem Zerfall des Sowjetimperiums an. Noch immer ist Russland einer der wichtigsten Waffenlieferanten. Darüber hinaus half die Sowjetunion gemeinsam mit der DDR beim Aufbau der Geheimdienste, die in Syrien omnipräsent und wohl einer der wichtigsten Pfeiler der Herrschaft der Assads sind. Wie Russland lehnt auch China im Sicherheitsrat grundsätzlich jede Beschneidung staatlicher Souveränität ab. Der Irak will auf jeden Fall das Entstehen eines weiteren Unruheherds in seiner Nachbarschaft verhindern.
Nur diplomatische Mittel
Diese Interessenlagen machten ein direktes Eingreifen, etwa durch eine militärische Intervention der internationalen Gemeinschaft, praktisch unmöglich, gibt sich Schoch überzeugt. Damit bleiben ihr nur noch wenige Einflussmöglichkeiten: Diplomatische Mittel, Sanktionen und moralischer Druck. «Vieles davon ist Symbolik, aber das ist ja nicht Nichts», sagt Schoch. Das Vorgehen des Regimes habe eine gewisse Funktion. 1982, als al-Assads Vater in der Stadt Hama ein Massaker anrichtete, dem nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen 10.000 bis 20.000 Menschen zum Opfer fielen, habe die Welt nur wenig darüber erfahren.
30 Jahre später lassen sich Informationen nicht mehr so leicht unterdrücken. Die syrische Opposition wisse, dass sie keine direkte internationale Unterstützung erhalten werde, trotzdem mache sie weiter, sagt Schoch: «Man kann nur hoffen, dass die Opposition so stark ist, dass sie möglicherweise einige halbwegs vernünftige Leute im Apparat zum Einlenken bringt und dann muss verhandelt werden.» Ausgang bislang offen.
dapd/ami
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