Wer sticht denn da?
Die Quälgeister greifen wieder an. Der Mensch reagiert mit dem Einsatz von Gift, die Insekten setzen auf massive Vermehrung.
Wenn der Mensch der Mücke nachhaltig eins auswischen will, bleiben ihm nicht viele Möglichkeiten. Insekten sind ein Erfolgsmodell der Evolution, gegen das kein Gift dieser Erde dauerhaft etwas auszurichten vermag. Nur mit seiner mächtigsten Waffe, der Sprache, kann der Mensch Rache nehmen für juckende Stiche und das nervtötende Sirren im Schlafzimmer.
So hat er zwei Stechmückenarten wenig schmeichelhafte, dafür aber überaus vielsagende Namen gegeben: «Lästiger Quälgeist» (Aedes vexans) und «Stechender Tunichtgut» (Ochlerotatus sticticus). Doreen Walther, Mückenexpertin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) im brandenburgischen Müncheberg, legt noch eins drauf: «Fiese, kleine Stecher» seien die sogenannten Überschwemmungsmücken, zu denen die beiden Arten gehören.
Vielen Menschen sind Überschwemmungsmücken weniger bekannt als die Gemeine Stechmücke, Culex pipiens (die zwar auch gemein stechen kann, deren deutscher Name aber für «üblich» oder «verbreitet» steht). Doch wenn an einem Wochenende am Seeufer oder Flussarm Mückenschwärme wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen wie letztes Jahr in den Thurauen, dann handelt es sich oft um Überschwemmungsmücken.
In trockenen Kuhlen können die Eier jahrelang überleben
Sie legen ihre Eier in Gewässernähe in trockene Kuhlen. Zur Not, das heisst bei anhaltender Trockenheit, überdauern sie dort jahrelang, haben Labortests gezeigt. Steigt aber der Wasserspiegel, werden die Senken überflutet. «Es reichen leicht schwankende Pegelstände», sagt Walther. Das wissen die sich entwickelnden Mücken zu nutzen: Auf einen Schlag schlüpfen die Larven mehrerer Mückengenerationen. Das geschieht zwar auch ohne grossflächige Überschwemmungen. Doch in Jahren mit viel Hochwasser fällt die Plage besonders schlimm aus. Das immerhin ist derzeit nicht der Fall.
Um eine mögliche Plage einzudämmen, setzen die zuständigen Behörden gelegentlich das ursprünglich aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis israelensis stammende Gift BTI ein. Andere Mücken, wie etwa die nicht stechenden Zuckmücken, die Vögeln und anderen Insektenfressern als wichtige Nahrungsquelle dienen, werden dabei ausgespart.
Zwar überleben nur wenige Mücken die Giftaktionen. Doch die Insekten haben ihrerseits schon vor Jahrmillionen eine Strategie entwickelt, wie sie ihrer Ausrottung entgegentreten können: durch massive Vermehrung. Ein Weibchen kann in seinem vier- bis sechswöchigen Leben alle zwei Wochen mehr als 300 Eier legen. Dazu benötigt es artfremde Hilfe: Blut, zum Beispiel von Menschen. Ohne das im Blut enthaltene Eiweiss können die Eier nicht heranreifen. Das Weibchen stehe daher unter «grossem Leidensdruck», wenn es einen Menschen zum Stechen sucht, sagt Doreen Walther.
Stechmücken folgen der Geruchsspur ihrer Opfer
Wer dafür herhalten muss, diesen Leidensdruck zu lindern, darüber entscheiden möglicherweise auch die Gene des Gestochenen. Das legt eine Studie nahe, derzufolge Zwillinge jeweils ähnlich attraktiv auf die Stechmücken wirken. Womöglich spielen dabei Erbanlagen eine Rolle, die den individuellen Körpergeruch eines Menschen beeinflussen. Stechmücken finden ihre Opfer, indem sie der Geruchsspur folgen, die unter anderem durch ausgeatmetes CO2 und einige Komponenten im Schweiss entsteht.
Weltweit gibt es rund 3000 Mückenarten, 35 davon leben in der Schweiz. Für den Volksmund sind alle Mücken «Schnaken», doch im zoologischen Sinn bilden Schnaken eine eigene Familie von langbeinigen – und harmlosen, weil nicht stechenden – Insekten. Andererseits können neben der allgegenwärtigen Gemeinen Stechmücke auch kleinere Kriebelmücken und die winzigen Gnitzen schmerzhaft pieksen. In den letzten Jahren macht auch eine andere Mücke immer wieder von sich reden: die asiatische Tigermücke, die verschiedene Krankheitserreger wie das Chikunguya- oder das Westnilvirus übertragen kann. Die wärmeliebende Tigermücke ist in Südeuropa schon länger heimisch, auch in Norditalien und im Tessin. In der Deutschschweiz tauchte sie bislang vereinzelt auf, doch letztlich ist es ihr hier (noch) zu kalt. Mitarbeit: Nik Walter
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