Wenn russische Strassenkinder fliegen
Ein Zirkus holt russische Kinder von der Strasse und bietet ihnen eine Perspektive. Nun ist der Zirkus Upsala aus St.Petersburg erstmals in der Schweiz und spielt in Köniz. Auch dank der Berner Tourmanagerin Sabine Jenni.
Daniil ist der Star. Er steht oft im Mittelpunkt, denn er ist der Kleinste. Seit zwei Jahren macht der Siebenjährige, der in einem Kinderheim in St.Petersburg lebt, beim Zirkus Upsala mit. Zum ersten Mal kommt der Zirkus aus Russland in die Schweiz. Im Kulturhof Schloss Köniz werden die Kinder, die zwischen 7 und 18 Jahre alt sind, am Mittwoch und Donnerstag ihr Programm «Nachtwächter» zeigen. Dafür sind sie auch an diesem Nachmittag hart am Trainieren. Unermüdlich springen sie über eine Matte, machen Überschläge, Saltos, Handstände. Das Stück soll artistisch hohen Ansprüchen genügen. Das ist gar nicht so selbstverständlich: Denn die Artistinnen und Artisten kommen von der Strasse, es sind Kinder aus schwierigen Verhältnissen. Eine Chance bieten Der Zirkus Upsala bietet ihnen eine Perspektive, ein Hobby. «Viele Kinder hätten sonst gar nie die Chance gehabt, etwas zu erreichen», sagt Larisa Afanasewa, die künstlerische Leiterin des Zirkus. Sie hat ihn vor zehn Jahren zusammen mit der deutschen Sozialpädagogin Astrid Schorn gegründet. Seither ist das Projekt stetig gewachsen, aus den anfänglich zehn Kindern sind mittlerweile mehrere Gruppen geworden. So gibt es die Gruppe «Besonderes Kind», die mit körperlich und geistig Behinderten arbeitet, und es gibt «Zirkus hinter Gittern», wo mit Jugendlichen aus der Jugendstrafanstalt gearbeitet wird. Die zehn Kinder vom Anfang sind aber immer noch präsent. Inzwischen erwachsen, arbeiten vier selbst als Trainer bei Upsala, andere helfen als Freiwillige. «Viele sind jetzt an der Uni», sagt Larisa Afanasewa nicht ohne Stolz. «Der Zauber von Upsala» Dann steht sie auf, schreit den Kindern auf Russisch etwas zu. Es geht um die Mitte, sie stehen nicht zentriert, sondern leicht verschoben. Wieder wird von vorne angefangen. Auch wenn einige bereits müde sind. Schliesslich ist es heiss, und für später ist ein verlockender Schwimmbadbesuch angesagt. «Kann ich mir ein Brot machen?», fragt die 12-jährige Ljuba. «Noch nicht», antwortet die Leiterin. Ljubas 14-jährige Schwester Wika nimmt sich einen Keks. Die beiden haben noch sechs Geschwister und leben in St.Petersburg auf engstem Raum. «Strassenkind sein heisst nicht, dass die Kinder gar kein Zuhause haben, aber oft ist es dort halt schwierig», sagt die Bernerin Sabine Jenni, die die Tour des Zirkus Upsala organisiert. Seit sie vor acht Jahren ein Jahr als Freiwillige im Zirkus verbrachte, liess sie «der Zauber von Upsala» nicht mehr los. Kein Wunder. Kinder wie Daniil kriegen hier Beachtung und Beschäftigung. Die Eltern sind drogenabhängig. Die Mutter ist vor Jahresfrist gestorben, der Vater ist im Gefängnis. Upsala ermöglicht Daniil ein grosses Abenteuer: Einen ganzen Monat werden die Kinder in der Schweiz und in Deutschland verbringen, Vorstellungen geben und Ausflüge machen. Finanziert wird die Tournee durch die Einnahmen der Aufführungen, aber auch durch Sponsoren. Und dann ins Schwimmbad Larisa Afanasewa klatscht in die Hände. Es gibt noch einen Durchlauf. «Ich mag es am liebsten, wenn ich durch die Luft fliegen kann», sagt der kleine Daniil. Als Leichtgewicht darf er das oft. Er lacht schelmisch, trinkt einen Schluck Wasser und rennt zurück auf die Bühne. Der Schwimmbadbesuch muss erst verdient sein. Marina BolzliVorstellungen: Mi, 30.6. & Do, 1.7., je 18.30 Uhr, Kulturhof Schloss Köniz. www.kulturhof.ch/www.upsala-zirk.org. >
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