
Nach neun Minuten atmete Atef Sahnoun tief durch und schaute verunsichert in die Kamera. Es war der Moment, so jedenfalls der Eindruck, als der Präsident der Winterthurer An'Nur-Moschee seinen Besuch bei Schawinski zu bereuen begann. Die Minuten zuvor hatte er sich um Kopf und Kragen geredet.
Die Fakten rund um seine An'Nur-Moschee sind bekannt: Drei Jugendliche aus dem Umfeld des Gebetshauses in Winterthur-Hegi radikalisierten sich und zogen darauf in den Jihad. Ein zweifelhafter Imam hatte im Gotteshaus gepredigt, und Jugendliche reichten sich dort untereinander IS-Propagandavideos auf ihren Handys herum. In der gestrigen SRF-Talksendung kam nicht mehr ans Licht, als etwa die Kurt-Pelda-Recherchen in der «Weltwoche» oder das Interview auf Redaktion Tamedia aufgedeckt haben.
Sahnoun schaffte es bei Schawinski nicht, seine Moschee in ein besseres Licht zu rücken. Er hat es gestern Abend vor allem verpasst, die Vorfälle rund um die Jihad-Reisenden zu bedauern. Er hätte zugeben können, dass die Moschee nie die Kontrolle über die Handlungen aller Mitglieder haben kann. Er hat es auch verpasst, dem Moderator und dem TV-Publikum zu versichern, dass er genauer hinschauen will. In der gestrigen Sendung hinterliess er nie den Eindruck, dass er Transparenz in und um sein Gotteshaus schaffen will. Oder war er nur verunsichert durch das horrende Tempo, das Schawinski in gewohnter Manier vorlegte?
Sahnoun spielte wiederholt den Unwissenden, was nicht glaubwürdig erschien. Die Schuld schob er fast gänzlich auf den mutmasslich verstorbenen Thaibox-Kämpfer Valdet Gashi, der einst in Winterthur unterrichtete. Es sei nicht seine Aufgabe, die rund 100 Mitglieder 24 Stunden lang zu überwachen: «Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, der Schweiz», sagte Sahnoun. Damit brachte er aber zumindest einen Punkt ins Spiel, über den es sich durchaus diskutieren lässt. Zum Beispiel die Frage: Wie gut oder eben schlecht waren die Jugendlichen in die Gesellschaft integriert, bevor sie den Krieg einem Leben in der Schweiz vorzogen? Doch Fragen, die vom Gast weg hin auf eine übergeordnete, politische Ebene führen, haben bei Schawinski in seinen knappen 30 Minuten kaum Platz.
Der Talkmaster wiederum machte das, was er am besten kann: seinen Gesprächsgegner in die Enge treiben, ihn in Widersprüche verwickeln. Dazu spielte Schawinski im Hochfrequenztakt Bilder und Zitate ein. Dazwischen sagte Schawinski Dinge wie: «Ich weiss, dass Jugendliche in Ihrer Moschee die IS-Mode zelebrieren», ohne näher darauf einzugehen, was «IS-Mode» genau sein soll. Am Schluss drängt sich die Frage auf: Was hat Atef Sahnoun geritten, in diese Sendung zu gehen? Grundsätzlich ist es ja löblich, wenn sich die Vertreter der kritisierten Moscheen nicht verkriechen. Doch dafür gäbe es andere Sendegefässe, die eine Diskussion erlauben, die über ein schnelles Pingpong, Hickhack sowie das Präsentieren nackter Schlagzeilen und herausgepickter Zitate hinausreicht.
Die gestrige Sendung brachte nichts. Klar wurde: Dieses TV-Gefäss und der Stil des Moderators eignen sich nicht für eine nützliche Diskussion zu diesem heiklen Thema. Und Sahnoun wäre gut beraten, sich schnell einen Kommunikationsberater zuzulegen.
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Wenn eine TV-Sendung versagt
Am Montag wagte sich der Präsident der An'Nur-Moschee in den TV-Talk von Roger Schawinski. Das war keine gute Idee.