Wenn die Seele zum Schlachtfeld wird
Wer als Soldat von einem Krieg zurückkehrt, ist oft traumatisiert. Psychologen experimentieren derzeit mit einer vielversprechenden Therapie: Sie setzen Computerspiele im Kampf gegen das Trauma ein.

Wer als Soldat in den Krieg zieht, kommt oft als anderer Mensch zurück. Die existenziellen Erfahrungen von Gewalt und Dauerstress bis hin zu Todesangst lasten auf der Seele. Zehntausende US-Soldaten kehrten in den vergangenen Jahren von den Kriegen im Irak und in Afghanistan mit einer Vielzahl psychischer Probleme heim, die von Experten als posttraumatische Belastungsstörungen bezeichnet werden.
Psychologen in den USA experimentieren derzeit mit einer vielversprechenden – und überraschenden – Therapie: Sie setzen Computer-Kriegsspiele im Kampf gegen das Trauma ein.
Den Patienten Angst einjagen
Die Spiele auf dem Bildschirm simulieren auf beängstigende Weise die Realität der Kriegseinsätze im Irak und in Afghanistan. «Auf den ersten Blick scheint es widersinnig», sagt der Projektleiter des zuständigen Forschungsteams an der University of Southern California, Albert Rizzi. «Warum sollte man den Patienten Angst einjagen, wenn sie ihre traumatischen Erfahrungen aufarbeiten?»
Die Antwort liefert der Forscher selbst. In der Arbeit mit den traumatisierten Patienten habe es sich als erfolgreich erwiesen, wenn diesen schrittweise ein moderates Angstgefühl vermittelt wird – und sie gleichzeitig angehalten werden, über ihre Ängste zu sprechen. Nach und nach liessen dann Dauer-Stress und andere Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung nach. Nach Schätzungen der US-Streitkräfte leiden 20 bis 30 Prozent der Soldaten nach einem Kriegseinsatz unter solchen Störungen.
Ehen und Familien zerbrechen
Zu den Symptomen zählen Psychologen chronische Albträume, emotionale Abstumpfung, Dauer-Anspannung, übertriebene Wachsamkeit und Verdrängung unliebsamer Erinnerungen. Solche seelischen Reaktionen können während eines Kriegseinsatzes schützend wirken. Halten sie aber nach der Rückkehr an, machen sie dem Soldaten den Wechsel ins Zivilleben schwer. Ehen und Familien zerbrechen, die traumatisierten Soldaten unterliegen einem erhöhten Risiko von Suchtkrankheiten und Selbstmorden. Allein im vergangenen Jahr haben sich nach Pentagon-Angaben 309 US-Veteranen das Leben genommen – ein Höchststand.
Als Vorteil der Behandlung per Computer-Spiel sehen es die Experten an, dass sie die Hemmschwelle für den Einstieg der Soldaten in die Therapie senkt. Psychologischer Behandlung haftet in den Streitkräften immer noch ein gewisses Stigma an. Mit Computer-Spielen hingegen ist die junge Generation der Soldaten vertraut, sie ist mit ihnen aufgewachsen. Die therapeutischen Spiele wurden aus dem X-Box-Spiel «Full Spectrum Warrior» weiterentwickelt, das Kriegssituationen simuliert. Sie heissen «Virtual Iraq» und «Virtual Afghanistan», die US-Armee zählt zu den Geldgebern.
Diesel, verbrannter Gummi und Gewürze
Die Spiele simulieren über einen Projektor-Helm, den der Spieler trägt, nicht nur das Aussehen der Einsatzorte, sondern auch Geräusche, Vibrationen und sogar Gerüche. Das tiefe Motorbrummen von Humvee-Panzerfahrzeugen begleiten den Spieler ebenso wie simulierte Druckwellen von Bombenexplosionen in der Ferne und der Geruch von Schiesspulver, Diesel, verbranntem Gummi und Gewürzen, die von einer Geruchsmaschine erzeugt werden.
Bislang mussten Therapeuten die traumatisierten Soldaten «allein vor dem geistigen Auge zu jenen Dingen führen, vor denen sie Angst haben und die sie traumatisiert haben», sagt Forscher Rizzi. Eine derartige Konfrontation mit Ängsten ist das Kernstück der Traumatherapie. Das Problem für die Therapeuten sei bislang aber gewesen, dass die Psychologen nicht sicher sein konnten, ob der theoretische Ansatz die Soldaten tatsächlich auch erreichte.
Praxistest zeigt Verbesserungen
«Manche Leute haben eben kein gutes Vorstellungsvermögen», sagt Rizzi. Die Video-Simulation auf dem Computerbildschirm lasse die Therapie viel realer werden. In einem Praxistest in Rizzis Institut hätten 16 von 20 traumatisierten Soldaten deutliche Verbesserungen bis hin zur Heilung gezeigt.
AFP/rek
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