Wenn die Pizzaschachtel zur Leinwand wird
«Einfach Kunst»: Unter diesem Motto stand das zu Ende gehende Schuljahr in Seftigen. Am Schulfest zeigen die 240 Mädchen und Jungs sowie die 30 Lehrkräfte, was sie in den vergangenen Monaten geschaffen haben.
Von der typischen Schulatmosphäre ist an diesem Dienstagvormittag in Seftigen wenig zu spüren. In den Schulzimmern, in der Aula, im Kindergarten und auf den Aussenplätzen herrscht rege Betriebsamkeit. Da in drei Tagen das grosse Schulfest steigt, sind alle mit den Vorbereitungen beschäftigt. «Alle» ist hier wörtlich zu nehmen, wie Lehrer Urs Hofer, Mitglied der Arbeitsgruppe Schulschluss, betont: «Vom Kindergarten bis zur 9. Klasse Real hat jeder Schüler und jede Schülerin eine Aufgabe.
Das gilt auch für sämtliche Lehrpersonen und das Hauswartsteam.» – «Im vergangenen September besuchten wir zu Beginn des neuen Schuljahres die Kleinkunsttage in Thun, um uns auf das Thema Kunst einzustimmen», ergänzt Nicole Leschot, die in Seftigen die Einschulungsklasse unterrichtet. «Danach überlegte sich jede Klasse, in welchem Bereich sie selber künstlerisch tätig werden wollte.»
Die Siebt-, Acht- und Neuntklässler von Alfred Maurer wurden im Projekt «Regelmässig Zeitung lesen» an die Nachrichten und Meldungen in gedruckter Form herangeführt. «Die Gratiszeitung ‹20 Minuten› stapelte sich in unserem Klassenzimmer», sagt der Lehrer, der erst seit einem Jahr in Seftigen unterrichtet. «Statt sie in die Altpapiersammlung zu geben, haben wir sie zu Papiermaché verarbeitet und daraus Figuren zum Thema Verletzlichkeit gemacht, nachdem wir uns im Fach Natur-Mensch-Mitwelt mit Konflikten und Gewalt auseinandergesetzt hatten.»
Beim Besuch des Reporters waren die Figuren, die an Werke des Schweizer Bildhauers, Malers und Grafikers Alberto Giacometti erinnern, bereits fertig, und die Klasse stellte Masken her, inspiriert von den Tschäggättä, den Fasnachtsfiguren aus dem Lötschental.
Auf den Spuren berühmter Maler wandelten die Oberstufenschülerinnen und -schüler von Marianna Wille, die bildnerisches Gestalten unterrichtet. Als sie vor rund einem halben Jahr ins Klassenzimmer kamen, wurden sie von einem grossen Stapel Pizzaschachteln überrascht. Sicher lief ihnen das Wasser im Mund zusammen.
Doch die Schachteln waren leer – sie dienten in den nächsten Wochen als Leinwände, auf denen die Jugendlichen Bilder malten, die von Claude Monet, Vincent van Gogh, Michael Craig-Martin, Pablo Picasso, Roy Lichtenstein und Wassily Kandinsky inspiriert waren. Die Pizzakunstschachteln sind nun in der Eingangshalle ausgestellt, gleich neben dem Flohmarkt mit Büchern, die entweder aus der Schulbibliothek aussortiert oder eigens für diesen Anlass gespendet wurden.
Auf dem Pausenplatz sind inzwischen die Männer fürs Grobe am Werk. Ein paar ältere Jungs und die guten Seelen der Schule, die Hauswarte Rolf Schenk und Ruedi Fankhauser, bauen eine Bühne auf. Mehr als ein paar Balken und Schaltafeln brauchen sie dazu nicht. Dass das Niveau der Bühne nur wenige Zentimeter über jenem des Platzes liegt, hat mehrere Gründe. «Einerseits war das ein Wunsch von Lehrpersonen, die die Kleinsten unterrichten», sagt Urs Hofer. «Hinzu kommt, dass wir eine höhere Bühne aus versicherungstechnischen Gründen mit einem Geländer hätten versehen müssen.» – «Aber ein Dach wird sicher noch angebracht?», fragt der Reporter. «Trotz guter Prognosen könnte es doch sein, dass . . .» «Ein ähnlich grosses Schulfest machen wir alle drei Jahre», entgegnet Hofer. «Bis jetzt hat es noch nie geregnet. Und überhaupt: Wir verschwenden weder Zeit noch Energie mit Schlechtwetterplänen. Die Turnhalle ist während des Fests nicht belegt – das reicht.»
Aus der Aula ertönen Klavierklänge. Es ist das Schulorchester, welches das Abschlusstheater der Neuntklässler musikalisch umrahmen wird und sich einspielt. Die Hauptprobe wird später an diesem Vormittag stattfinden. Das Stück heisst «Lieb . . . isch passé!» und trägt den Zusatz «Wenn Meitli sich nüt lö la gfalle». Es wird den Kindern und Jugendlichen so gut gefallen, dass die Schauspieler auf der Bühne keine Chance haben werden, sich gegen die Lachsalven aus dem Publikum durchzusetzen.
Auf dem Sportplatz ertönen für einmal keine Schiedsrichterpfeifen. Aus einer Boombox dringt eingängiger Countryrock und gibt den Rhythmus vor für die Erstklässler von Brigitte Jost und Pia Aebersold, die ihre Linedance-Show vorbereiten. Einen Schritt nach vorne, zwei zurück, einen zur Seite und schliesslich ein Kick in die Luft – Körper und Geist werden gleichermassen gefordert. Beni Hählens Fünftklässler sind mit ihrer Probe unter dem strahlend blauen Himmel von Seftigen bereits fertig. «Wir werden ein Zirkusprogramm präsentieren», erklärt der Lehrer. «Die Kinder haben es selber erarbeitet», betont er. «Sie kamen mit vielen Ideen. Dann wählten wir die besten aus und verknüpften die einzelnen Nummern miteinander.»
Dass die Schülerinnen und Schüler über die Alters- und Klassengrenzen hinweg zusammenarbeiten, hat in Seftigen System – nicht nur am Schulfest, sondern generell. So gibt es ein Patensystem, bei dem ältere Schüler ihre jüngeren Kameraden betreuen. «Wir haben institutionalisierte Anlässe, etwa den Schlitteltag, an denen die einen auf die anderen aufpassen und sie durch die manchmal etwas fremde Welt lotsen», erläutert Urs Hofer. «Es kommt auch immer wieder vor, dass die Patenkinder vor den Klassenzimmern warten, um mit ihren Patenonkeln und -tanten in die grosse Pause zu gehen.»
Schulfest Seftigen: 29. und 30. Juni, jeweils ab 13.30 Uhr. Ein Überblick über die im Text erwähnten sowie die weiteren Darbietungen und Angebote findet sich im «Thuner Amtsanzeiger» (Rubrik Seftigen) bzw. auf www.thuneramtsanzeiger.ch
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