SM-Gold mit der LuftpistoleWenn anderen die Knie zittern, bleibt Wälti treffsicher
Als erst 16-Jährige ist Esther Wälti aus Riedstätt an den Titelkämpfen des Schweizer Schützenverbandes U-21-Meisterin mit der Luftpistole geworden.

Esther Wälti zeigt zu Hause in Riedstätt bei Guggisberg ihre bereits beträchtliche Trophäensammlung. Zwei Silbermedaillen von den nationalen Nachwuchs-Titelkämpfen 2019 und 2017 legt sie auf den Tisch. Dann folgt die Goldmedaille. Ihre bisher wertvollste Auszeichnung. Vor zehn Tagen hat sie in Bern die gesamte Nachwuchselite von Swissshooting bezwungen und den Titel als Schweizer U-21-Meisterin über 10 Meter mit der Luftpistole gewonnen. Notabene als 16-Jährige. «Esther ist ein Weihnachtskind», erklärt Mutter Vreni Wälti. «Sie kam am 24. Dezember 2003 zur Welt.»
Esther ist eine von fünf Töchtern. Ihre beiden älteren Schwestern schiessen auch, die jüngeren nicht. «Angesteckt hat mich aber der Vater», sagt Esther. Hans Wälti ist aktives Mitglied der Pistolenschützen Gambach und leidenschaftlicher Jäger. Als Esther vor sieben Jahren ebenfalls schiessen wollte, hatte er nichts dagegen. «Als Schütze muss man sich extrem konzentrieren können. Ich sagte mir, dass diese Fähigkeit den Kindern auch in der Schule hilft.»
Rekord im Final
In der Tat ist die Konzentrationsfähigkeit Esthers grosse Stärke. Aber das Ausserordentliche daran ist: Sie wird fokussierter und ruhiger, je grösser der Druck wird. «Warum das so ist, weiss ich auch nicht», meint sie lapidar. Auch an der SM in Bern war es nicht anders. In der Qualifikation schoss Esther Wälti 29 Punkte weniger als die Beste, schaffte den Einzug in den Final als sechste von acht Schützinnen. Aber als im Final die Favoritinnen nervös wurden, blieb die Bernerin treffsicher und übernahm bald die Führung. Mit 231,9 von maximal 261,6 Punkten realisierte sie letztlich sogar einen Schweizer Final-Rekord.
Trainer ist beeindruckt
Auch mit dem Triumph vor Augen sei sie nicht «wahnsinnig nervös» geworden. «Wenn es um etwas geht, geht es meistens auch», sagt sie nur. Diese Ruhe unter Hochdruck beeindruckt sogar ihren Trainer Hans-Rudolf Trachsel. «So jemanden habe ich noch nie erlebt», meint er. Wobei sich Trachsel durchaus manchmal etwas mehr Nervosität wünschen würde, denn in den Vorprogrammen schiesse Esther «hie und da etwas gar leger». Die Schützin selber verneint nicht, dass das Überstehen der Qualifikation für sie fast schwieriger ist, als dann im Final eine Medaille zu gewinnen.
Auf Diethelms Spuren
Trotz den Meriten sieht sich Esther Wälti nicht als zukünftige Nachfolgerin von Heidi Diethelm. Die Thurgauerin gewann 2016 in Rio als erste Schweizer Schützin eine Medaille. «Einmal an Olympischen Spielen teilnehmen, wäre bestimmt schön, aber daran denke ich nicht. Ich will mich persönlich verbessern und nicht anderen nacheifern.» Wälti gehört zwar zur kantonalen Auswahl, aber nicht zum Nachwuchskader von Swissshooting. «Dazu müsste ich zweimal pro Woche in Biel trainieren. Das geht nicht, die Ausbildung geniesst Vorrang.» In einer Metzgerei hat sie vergangenen Sommer eine Ausbildung als Fleischfachfrau begonnen. Die fast 20 km nach Riggisberg legt sie oft mit dem Töffli zurück. Trainiert wird in Riffenmatt. Viel Freizeit bleibt da nicht mehr. Vater Hans unterstützt die Prioritätenliste der Tochter. Auch Trainer Trachsel betont: «Wichtig ist, dass Esther Spass hat. Wir dürfen sie nicht verheizen.» Schliesslich war Heidi Diethelm bei ihrem Coup in Brasilien schon 47 Jahre alt. Bis dahin bleibt der 16-jährigen Wälti also noch viel Zeit, ihre Medaillensammlung zu erweitern.
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