
Das Versagen auf allen Ebenen liegt zwölf Jahre zurück. Die Übung hiess damals «Stabilo» und sollte allerhand Angreifer abwehren, mit der Schweizer Armee als vorderstem Schutzschild. Was im Ausland niemand interessierte, sorgte damals im Inland für Aufsehen. Der Grund: Ein geheimer Bericht, der trotzdem an die Öffentlichkeit gelangte, listete Punkt für Punkt das Versagen der Führungsverantwortlichen im Sicherheitsbereich auf. Das Resultat, es war derart vernichtend, dass danach jahrelang nicht mehr geübt wurde.
2019 nun üben Sicherheitszuständige den Terrorfall. Das öffentliche Echo darauf fällt – ganz im Gegensatz zu 2008 – positiv aus. Das Szenario zur Übung beinhaltete die unfriedliche Entwicklung vergangener Jahre.
In Genf sprengen sich Extremisten in die Luft. Terroristen werden getötet, einige werden verhaftet und angeklagt. Ihnen soll am Bundesstrafgericht in Bellinzona der Prozess gemacht werden. Sympathisanten einer international operierenden Organisation wollen sie brachial freipressen. Sie drohen und veröffentlichen private Wohnadressen von Regierungs-, National-, Stände- und Bundesräten. Sie rufen zum Anschlag auf. Die Schweiz bekräftigt derweil ihren Anspruch, die Bedrohung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen abzuwehren. So weit, so einfach, so realitätsbezogen.
Wohlwollendes öffentliches Echo
Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang weniger ein mehr oder minder einfallsreiches Übungsszenario, das wohl Jahre zu spät kommt, sondern vielmehr der Umstand, dass Bund, Kantone und Gemeinden eine Übungskultur wiederbeleben, die seit dem Ende des Kalten Krieges tot geglaubt war.
Die Gefahr durch Terror wird hierzulande derzeit wohl überschätzt.
Welche Schlüsse sind daraus zu ziehen? Zum einen fällt auf, dass ein Szenario, das einer Fusion diverser ausländischer Horrorereignisse der letzten Jahre entspricht, auf wohlwollendes öffentliches Echo stösst. Nicht nur Proteste blieben aus, nein, über 60 Prozent bezeichnen in einer nicht repräsentativen Umfrage dieser Zeitung ein Plus an Sicherheit als angezeigt. Häufig gehörte Kritik, Investitionen in Sicherheit seien nicht am Ausnahmezustand zu messen, sondern vielmehr am Alltag, sie geraten derzeit offensichtlich mehr und mehr ins Hintertreffen. Die Bilder aus der «Tagesschau», sie scheinen Wirkung auf die friedliche Schweiz zu entfalten.
Der Schluss darob drängt sich auf: So, wie in den 90er-Jahren nach dem Mauerfall strategische Gefahren als dauerhaft überwunden eingestuft wurden, wird heute die Gefahr durch Terror hierzulande derzeit wohl überschätzt.
Gutes für die Gesellschaft
In Tat und Wahrheit geht es aber gar nicht darum, die Gefahrenzukunft richtig vorauszusagen. Szenarien sind bekanntlich – eine alte Erkenntnis – nicht dazu geeignet, etwas zu beweisen, denn mit Szenarien lässt sich immer alles beweisen.
Demgegenüber ist der Umstand, dass die Schweiz wieder vermehrt versucht, Gefahren abzuwehren, zu begrüssen. Denn letztlich bedeuten solche Übungen nichts anderes, als dass sich geeignete Köpfe und geübte Hände möglichst rasch zusammenfinden, um Gutes für die Gesellschaft zu bewirken.
Die politische Herausforderung, sie erscheint demgegenüber ungleich anspruchsvoller. An der Politik ist es nämlich, zu definieren, was es zu verteidigen gilt. Es liegt mithin am Einzelnen und an der Einzelnen, sich gewahr zu werden, welche Werte es zu verteidigen gilt.
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Welche Werte es zu verteidigen gilt
Die Schweiz wehrt dieser Tage den grossen Terrorangriff ab. Gefragt ist neben erfolgreicher Technik und Taktik aber vor allem glaubwürdige Politik.