Corona in Italien«Was im Herbst auf uns zukommt, ist eine ganz andere Frage»
In Restaurants kommen die Menschen nur noch mit dem Green Pass. Noch hält sich der Unmut in Grenzen – doch die Nervosität steigt. Ein Wirt erzählt.

Das Schild, das am Eingang der Osteria hängt, wie auch an den Eingängen aller möglichen anderen Bars und Restaurants in der Umgebung, gibt zunächst einmal offiziell Entwarnung: Um dieses Lokal zu betreten, sei kein Green Pass erforderlich.
Gleich darunter allerdings präzisiert ein Zusatz in kleinerer Schrift: Wenn man an einem Tisch im Innenraum Platz nehmen wolle, müsse man sehr wohl einen Green Pass vorlegen – den Nachweis einer Impfung, einer überstandenen Covid-Infektion oder eines negativen Tests in den vergangenen 48 Stunden. (Mehr dazu: «Wie Italien die neue Welle brechen will».)
Die grosse Ungewissheit vor dem Herbst
«Momentan haben wir keine Probleme damit», sagt Matteo, der Wirt dieser Osteria in Genua: «Bei der Hitze zurzeit sitzen die Leute eh alle draussen.» Und das mit Oleanderbüschen in Terrakottatöpfen vom Parkplatz abgegrenzte Areal bietet glücklicherweise genug Platz, um alle Gäste, die an diesem Abend kommen, unter freiem Himmel zu bewirten – ohne sie zuvor nach einem digitalen Unbedenklichkeitszertifikat zu fragen. «Was im Herbst auf uns zukommt», sagt Matteo, «das ist eine ganz andere Frage.» Seinen Nachnamen will er nicht in der Zeitung lesen, «nicht dass ich noch Besuch von den Carabinieri bekomme».
Die Debatte um den italienischen Green Pass ist inzwischen politisch heiss aufgeladen. Seit dem vergangenen Wochenende ist der Nachweis Pflicht, um etwa Schwimmbäder, Fitnessstudios, Museen oder Theater zu betreten – oder eben um an einem Tisch in der Innengastronomie Platz zu nehmen. Die Wirte sind allerdings nicht verpflichtet, neben dem Green Pass auch den jeweiligen Ausweis zu kontrollieren, um sicherzustellen, dass sich niemand mit einem fremden Impfnachweis Zugang zu irgendwelchen Köstlichkeiten erschleicht.
Angesichts der Hitze lässt es sich ja derzeit ohnehin überall im Land gut auf die Tische im Aussenbereich ausweichen. Dennoch beklagt ein Branchenverband bereits Umsatzrückgänge in der Gastronomie. Vor allem weil Familien mit ungeimpften Kindern – die Green-Pass-Pflicht gilt ab dem Alter von zwölf Jahren – jetzt auf gemeinsame Restaurantbesuche verzichten würden.
«Die Vorstellung, krank zu werden, schreckt mich weniger als die Aussicht, pleitezugehen und meine Familie nicht mehr versorgen zu können.»
Verglichen mit Frankreich aber, wo die neuen Regeln teilweise strenger sind, halten sich die Unmutsbekundungen im Land noch in Grenzen. Es gab Proteste von Angestellten, deren Arbeitgeber jetzt für den Besuch der firmeneigenen Kantine auf den Green Pass pochen. Und von Lehrern, die sich an Plänen der Regierung stossen, den Nachweis für sie nach den Ferien für das Betreten von Schulen verpflichtend zu machen. (Proteste in Italien: «Die Impfgegner fühlen sich diskriminiert».)
Für Matteo, den Wirt der Genueser Osteria, geht es um Existenzielles. Er und seine Mitarbeiter seien geimpft. Aber mehr noch als das Virus fürchtet er ohnehin, dass ihm im Herbst, wenn mehr Gäste nach innen drängen, die Umsätze wegbrechen: «Die Vorstellung, krank zu werden, schreckt mich weniger als die Aussicht, pleitezugehen und meine Familie nicht mehr versorgen zu können.»
Drinnen, nach dem Bezahlen an der Kasse, spendiert er noch einen Grappa, ohne nach dem Green Pass zu fragen: Für das Stehen und Trinken am Tresen ist der nicht vorgeschrieben.
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